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Die berufliche Lärmschwerhörigkeit — Ein immer noch ungelöstes Problem!

N ach wie vor gehört die berufliche Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) zu den häufigsten Berufskrankheiten. Im neuesten Statistischen und Finanziellen Bericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2013) werden für das Jahr 2011 12 103 Anzeigen, 6304 Anerkennungen und 377 erstmals entschädigte Renten genannt. In den letzten zehn Jahren haben sich die Zahlen nur geringfügig geändert. Die Lärmschwerhörigkeit stagniert auf einem hohen Niveau. Woran liegt das? Bereits vor fast 40 Jahren wurde die Unfallverhütungsvorschrift „Lärm“ eingeführt. Die darin enthaltenen Vorschriften beruhen auf drei Säulen: Der Unternehmer muss lärmmindernde Maßnahmen am Arbeitsplatz veranlassen, die Arbeitnehmer müssen Gehörschutz in Lärmbereichen tragen und die Beschäftigten müssen arbeitsmedizinischen Untersuchungen zugeführt werden. Hier stellt sich nun die Frage, warum noch immer jedes Jahr mehr als 10 000 neue Fälle gemeldet werden. Sind die Verdachtsdiagnosen unzutreffend? Eigentlich nicht, denn etwa jede zweite gemeldete Schwerhörigkeit wird als Berufskrankheit anerkannt! Sind die Arbeitsplätze in der Industrie, in der Landwirtschaft und im Dienstleistungsgewerbe lauter geworden? Nein, ganz im Gegenteil. In den Betrieben wurden Lärm erzeugende Maschinen flächendeckend abgekapselt, leise von lauten Betriebsteilen getrennt und die Lautstärke von Maschinen durch technische Maßnahmen reduziert! Wurden arbeitsmedizinische Untersuchungen zu selten oder gar nicht durchgeführt? Auch das kann man mit wenigen Ausnahmen verneinen.

I st die Entstehung einer Lärmschwerhörigkeit trotz der Verwendung von Gehörschutz möglich oder wird Gehörschutz eventuell viel zu selten benutzt? Eine Innenohrschädigung kann bekanntlich nur dann auftreten, wenn als persönlicher Gehörschutz – bezogen auf den Expositionspegel – zu schwache Gehörschutzmittel verwendet werden oder wenn Gehörschutzmittel überaltern oder hart und rigide geworden sind und dadurch keinen ausreichenden Schutz mehr bieten (Brusis 2005). Ein weiteres Schädigungsrisiko besteht, wenn der Gehörschutz nicht regelmäßig getragen wird, z. B. nur bei „Eigen“-Lärm, aber nicht bei „Fremd“-Lärm auf einer Baustelle oder wenn der Gehörschutz immer mal wieder abgesetzt wird, um sich mit Arbeitskollegen oder Meister verständigen zu können oder aber wenn es notwendig ist, Maschinengeräusche akustisch zu überprüfen. Manchem Arbeitnehmer scheint es auch lästig zu sein, den Gehörschutz bei einem kurzen Aufenthalt im Lärmbereich aufzusetzen. Immer wieder kann man als Passant verwundert auf Straßenbaustellen beobachten, dass – trotz lärmintensiver Arbeit – kein Gehörschutz getragen wird.

F ehler und Unzulänglichkeiten beim Tragen, die unzureichende Tragedauer oder fehlender Gehörschutz scheinen der Grund dafür zu sein, dass es die Lärmschwerhörigkeit immer noch gibt. Bei konsequenter Beachtung der arbeitsmedizinischen Vorschriften müsste die Lärmschwerhörigkeit eigentlich bereits „ausgestorben“ sein. Als Lösung des Problems sind Hörgeräte in Betracht zu ziehen, die gleichzeitig als Gehörschutzmittel dienen können. Hier handelt es sich um Neuentwicklungen auf dem Hörgeräte-Sektor, die gerade erst auf den Markt gekommen sind (Brusis u. Sickert 2012). Eine Verordnung bzw. Anpassung ist aber nur zulässig, wenn diese Kombination aus Hörgerät und Gehörschutzmittel vorher zertifiziert worden ist, z. B. vom Institut für Arbeitschutz der DGUV. Mit einem derartigen technischen Hilfsmittel kann der Arbeitnehmer im Lärmbereich Sprache verstehen, gleichzeitig ist sein Gehör gegen den schädigenden Lärm geschützt (Sickert 2011). Diese Neuentwicklung könnte die Akzeptanz von Gehörschutz durch die Arbeitnehmer künftig positiv beeinflussen. Voraussetzung für eine flächendeckende Einführung zu einem realisierbaren Preis ist, dass der hohe finanzielle Aufwand durch große Stückzahlen und reduzierte Produktionskosten gesenkt werden kann.

T. Brusis , Köln

Literatur

Brusis T: Schließt das Tragen von Gehörschutz eine Lärmschwerhörigkeit aus? HNO 2005; 53: 795–796.

Brusis T, Sickert P: Aus der Gutachtenpraxis: Ist das Tragen von Hörgeräten in Lärmbereichen erlaubt? Neue Entwicklungen auf dem Hörgerätesektor. Laryngo-Rhino-Otol 2012; 91: 189–191.

Sickert P: Hörgeräte mit Gehörschutzfunktion. Sicher ist sicher 2011; 6: 273–275.

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