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Arbeitsmedizinische Empfehlung | — Folge 8 —

Psychische Gesundheit im Betrieb

Einleitung

In den Folgen 1 bis 4 wurden die Grundlagen vermittelt. In den Folgen 5 und 6 (Perspektiven und Methoden) wurden ausgewählte Ansätze und Analyseinstrumente für den Methodenkoffer des Betriebsarztes zur Identifikation von psychischen Belastungen und Ressourcen im Rahmen der Gefährdungsermittlung und -beurteilung vorgestellt. Die Vorstellung erfolgreicher betrieblicher Beispiele in Folge 7, Handlungsansätze und eine Darstellung wesentlicher Erfolgsfaktoren in Folge 8 runden die Empfehlung ab.

Erfolgsfaktoren

Fördernde Faktoren im Betrieb. Die Chancen einer umfassenden Präventionskultur in einem Unternehmen hängen von verschiedenen positiven Aspekten ab. Auf der Seite des Unternehmens sind dies:

  • Langfristigkeit der Unternehmensstrategie
  • Ethische Orientierung und Menschenbild der Unternehmensleitung und des Top-Managements
  • Hoher Stellenwert des Themas „Gesundheit“ für Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretung

Förderliche Faktoren für die Akzeptanz des Betriebsarztes sind:

  • Fach- und Sozialkompetenz sowie interne Unternehmenskenntnis des Betriebsarztes
  • Erkennbar eigene und „unersetzliche“ Expertise des Arbeitsmediziners
  • Beteiligung des Betriebsarztes an allen gesundheitsrelevanten Prozessen
  • Verfügbarkeit von Informationen/Daten zur psychischen Gesundheit und zur Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten (siehe Folge 5)
  • „Präventionsnetzwerk“ im Unternehmen.

Engagierte Betriebsärzte finden oft eine hohe Akzeptanz ihrer Beratung bei betrieblichen Entscheidungsträgern und bei Betriebs- bzw. Personalräten. Somit besteht die Chance zur Anregung einer Weiterentwicklung des „betriebliche Sozialsystems“, das – wie ausführlich dargestellt – einen wesentlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit der Beschäftigten hat. Dabei ist die stets erkennbare Eigenständigkeit, Unabhängigkeit und Erkenntnisorientierung dieser arbeitsmedizinischen Beratung von Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung unverzichtbar – erfolgreiche Betriebsärzte vermitteln beiden Sozialpartnern aufeinander abgestimmte Beratungsinhalte. Dieses ist beim komplexen Thema „Psychische Gesundheit“ besonders wichtig, da hier wie bei kaum einem anderen Feld der Arbeitsmedizin die Interessen der Sozialpartner berührt sind. Entsprechend wichtig ist deshalb eine klare, konsistente Positionierung und Kommunikation des Betriebsarztes.

Neben der engagierten Unterstützung und ärztlichen Beratung einzelner Mitarbeiter/-innen ist die Entwicklung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements (siehe Folgen 3 und 5) eine wesentliche Erfolgsbedingung der betrieblichen Prävention. Betriebliches Gesundheitsmanagement bedarf der arbeitsmedizinischen Expertise.

Qualitätsanforderungen an Gesundheitsdaten. Die Verfügbarkeit der erwähnten Daten- und Informationsquellen hängt maßgeblich von der jeweiligen Betriebsgröße und -struktur ab, beispielsweise von der Existenz und dem Versichertenanteil einer Betriebskrankenkasse. Gesundheitsdaten müssen unverzichtbar epidemiologischen Mindestanforderungen genügen – anderenfalls sollten sie nicht als Erkenntnisquelle verwendet werden. So kann aus Rohdaten zur Arbeitsunfähigkeit in verschiedenen Belegschaftsgruppen keinerlei Schlussfolgerung gezogen werden – auch nicht bei Differenzierung nach Erkrankungsarten. Erst die Zuordnung wesentlicher soziodemografischer Merkmale (Standardisierung nach Alter, Geschlecht, manueller oder dominierend mentaler Tätigkeit) gewährleistet eine elementare Datenqualität, die als Grundlage für die arbeitsmedizinische Beratung geeignet ist.

Betriebsärzte sollten aktiv darauf hinwirken, dass ihnen geeignete Informationsquellen zur Verfügung stehen. Im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen können beispielsweise in der Anamnese einfache Screening-Instrumente zur Erfassung der Selbsteinschätzung von Gesundheit und Wohlbefinden eingesetzt werden; je nach Fragestellung und betrieblicher Situation können weitere Erhebungsinstrumente (siehe Folge 5) ergänzend zum Einsatz kommen.

Der Vorteil einer Anwendung derartiger Instrumente bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen liegt im erfahrungsgemäß hohen Beteiligungsgrad der Mitarbeiter. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung spezieller Befragungsinstrumente in der arbeitsmedizinischen Routine muss ihr Einsatz gut begründet, Datenschutz und Auswertungsqualität gesichert und mit Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung abgestimmt sein.

Betriebliche Gestaltungs- und Präventionsansätze zum Erhalt und zur Förderung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten

Auf der Grundlage umfangreicher, interdisziplinärer Forschung (siehe Folge 4) lassen sich „Elemente einer guten Präventionspraxis“ zum Erhalt und zur Förderung der psychischen Gesundheit von Beschäftigten ableiten, deren Realisierbarkeit auf Unternehmensebene zu prüfen ist (   Tabelle 1 ). Einige dieser Realisierungsempfehlungen können allein oder maßgeblich vom Betriebsarzt gestaltet, abgestimmt und umgesetzt werden (Fettdruck). Die übrigen Ansätze – Führung und Entwicklung der Arbeitsbeziehungen – unterliegen der personalpolitischen Gestaltung und komplexen betrieblichen Entscheidungsprozessen.

Der Wirkungsgrad und damit Erfolg der arbeitsmedizinischen Betreuung ist maßgeblich daran abzulesen, in welchem Umfang sie zu einer positiven Entwicklung dieser Handlungsfelder beiträgt. Dabei helfen dem Betriebsarzt – neben guter Fachkompetenz – eine gute Vernetzung im Unternehmen, der unmittelbare Zugang bzw. der Direktbericht an die Betriebs- beziehungsweise Unternehmensleitung, Zielorientierung, Beharrlichkeit und Überzeugungskraft. 

Die Redaktion dankt Frau Dr. med. Annegret E. Schoeller für die redaktionelle Aufbereitung des Textes.

    Autoren und Mitglieder des Arbeitskreises 5 des Ausschusses Arbeitsmedizin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales:

    Marianne Engelhardt-Schagen (Leitung), Thomas Becker, Gregor Breucker, Antje Ducki, Detlef Glomm, Reinhold Kilian, Anne-Katrin Krempien, Jens Petersen, Gabriela Petereit-Haack, Annegret Schoeller, Joachim Stork, Stefanie Wagner, Jürgen Wolters

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