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VDBW

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention

  1. Wir begrüßen den Gesetzentwurf, vor allem weil durch Prävention und aktive Gesundheitsförderung dem zentralen Thema Beschäftigungsfähigkeit ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Bereits in den wissenschaftlichen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) und unserem Verband zur arbeitsmedizinischen Vorsorge wurde darauf Bezug genommen. Insgesamt sind die vorgesehenen Mittel für eine bundesweite, flächendeckende und umfassende Prävention nicht ausreichend. Wir anerkennen sehr wohl, dass dies ein erster Schritt in die richtige Richtung ist.
  2. In Deutschland brauchen wir ein deutliches Mehr an Prävention und Gesundheitsförderung. Es wird leider zugelassen, dass viele Menschen vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden – aufgrund von Erkrankungen, die durch Präventionsmaßnahmen vermeidbar wären – beispielsweise degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparats, psychosomatische und psychische Erkrankungen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Prävention zugängliche Krebserkrankungen sowie chronische Bronchitis und chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen. Durch gesundheitliche Prävention kann die für Menschen wie Unternehmen existenziell notwendige Beschäftigungsfähigkeit nachhaltig gesichert werden. Prävention und Gesundheitsförderung muss integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung sein und in den Mittelpunkt künftiger Reformen des Gesundheitswesens gestellt werden. Die Erfolgsgeschichte des klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes zeigt, wie effektiv Prävention Abhilfe schaffen kann. Die Studie „Vorteil Vorsorge – Die Rolle der betrieblichen Prävention für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland“ von Booz & Company im Auftrag der Felix Burda Stiftung zeigt ebenfalls überdeutlich, dass verstärkte betriebliche Prävention als Investition in die Zukunft des Standortes Deutschland notwendig ist. Wirksamkeit und Rentabilität betrieblicher Gesundheitsvorsorge zeigen überzeugende Ergebnisse.
  3. Die Arbeitsmedizin hat Zugang zu den über 40 Millionen Erwerbstätigen; das ist der Schlüsselzugang der präventiv ausgerichteten Medizin zu den Beschäftigten. Die Arbeitsmedizin ist das präventivmedizinische Fach und umfasst die Wechselbeziehungen zwischen Arbeit und Beruf einerseits sowie Gesundheit und Krankheiten andererseits.
  4. Im Gesetzentwurf fehlt an verschiedenen Stellen der wesentliche Hinweis auf die zentrale Stellung des Arztes in der evidenzbasierten Präventivmedizin. Wir regen dringend an, dass die Ärzteschaft durch die Bundesärztekammer in der vorgesehenen Ständigen Präventionskonferenz vertreten ist und dort die arbeitsmedizinische Fachkompetenz eingebracht werden kann. Wir sind bereit, uns in entsprechenden Gremien einzubringen.
  5. Zur Prüfung der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen braucht es eine geeignete Qualitätssicherung, die unabhängig wissenschaftlich begleitet und evaluiert wird. Dabei ist es notwendig, dass die Arbeitsmedizin entsprechende Berücksichtigung findet. Nur dadurch ist die Sicherung eines nachhaltigen Präventionserfolgs gewährleistet.
  6. Durch das Gesetz muss sichergestellt werden, das Interesse an Prävention auch mit den notwendigen Ressourcen zu unterstreichen. Die bisherigen Zahlen der Ausgaben zur Prävention und insbesondere zur betriebliche Gesundheitsförderung laut Präventionsbericht 2012 des GKV-Spitzenverbands belegen, dass die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für die betriebliche Gesundheitsförderung nur 42,3 Mio. Euro betragen und in den letzten Jahren stagnierten. Die Ausgaben für die individuelle Prävention reduzierten sich gar von 252 Mio. Euro im Jahre 2009, auf 204 Mio. Euro im Jahr 2011. Setzt man die Ausgaben für betriebliche Gesundheitsförderung in Höhe von 42,3 Mio. Euro in das Verhältnis zu den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung von 179 Mrd. Euro, so beträgt der Anteil nur 0,02 %. Vor diesem Hintergrund ist die Vorgabe im Gesetzentwurf, ab dem Jahr 2014 künftig mindestens 6,– Euro pro Versicherten für Prävention und davon mindestens 2,– Euro für betriebliche Gesundheitsförderung aufzuwenden, als Schritt in die richtige Richtung zu werten, aber im absoluten Betrag bei weitem unzureichend. Für die nachfolgenden Jahre fordern wir eine weitere jährliche Erhöhung der Präventionsmittel um 2,– Euro und davon einen generellen Anteil von 1/3 für die betriebliche Gesundheitsförderung. Mittelfristig ist ein Anteil von 10 % der gesamten Ausgaben der Krankenkassen für Prävention anzustreben.
  7. Die Verbindlichkeit der Regelung nach § 20 Abs. 4 SGB V ist nach unserer Überzeugung zu erhöhen. Angesichts der bereits bisher nicht annähernd ausgeschöpften Mittel der Kassen in diesem Bereich reicht die „Soll-Regelung“ nicht aus, stattdessen bedarf es einer „Muss-Regel“.
  8. Es sind vor allem Betriebsärzte, die auch diejenigen Menschen – auch aus unteren sozialen Schichten – erreichen, die aus eigener Initiative keine präventiven Maßnahmen ergreifen. Der Zugang zu Beschäftigten im gesundheitlichen Kontext wird am besten durch Betriebsärzte erreicht. Deshalb ist es absolut notwendig und richtig, im Gesetzesentwurf die Betriebsärzte explizit zu nennen, so in der vorgesehenen Neuregelung nach § 20a Abs. 1 SGB 5, § 132e. Positiv und zwingend notwendig ist die Einbindung von Betriebsärzten in die alters- und zielgruppenorientierte ärztlichen Gesundheitsuntersuchung. Es ist nachvollziehbar, dass die Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und Belastungen auch eine ärztliche Bescheinigung (Präventionsempfehlung) beinhalten, die bei der Inanspruchnahme von Leistungen zur individuellen Verhaltensprävention berücksichtigt werden. Unabdingbar ist es, die Empfehlung mit einer im Rahmen einer betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchung abgegebene Empfehlung gleichzusetzen.
  9. Wir fordern, dass auch Betriebsärzte selbst, nicht nur in Verbindung mit arbeitsmedizinisch vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen, Präventionsempfehlungen im Sinne dieses Gesetzes aussprechen können.
  10. Wir regen in diesem Kontext dringend den Ausbau der Forschungsförderung, vor allem der Präventionsforschung, an. Dabei sollte sich die öffentliche Forschungsförderung auf folgende Kernbereiche konzentrieren: interdisziplinäre Arbeitsforschung, Präventionsforschung, Gesundheitspädagogik, Arbeitswissenschaft und Arbeitsmedizin.
  11. Ergänzt durch eine bessere Kooperation zwischen Unternehmen, Rentenversicherungsträgern und Krankenversicherungen ließe sich die Effektivität des Gesundheitssystems erheblich steigern. Wichtig ist eine Kultur des lebenslangen Lernens, die neben der beruflichen Qualifizierung auch gesundheitliche Aspekte vermittelt – unabhängig von Bildungsniveau und sozialem Status. Daher müssen weitergehende förderliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Menschen besser zu einem kompetenten und eigenverantwortlichen Umgang mit der eigenen Gesundheit zu befähigen.
  12. Für eine umfassende und effiziente Prävention ist es wichtig, nicht an den Zuständigkeitsschnittstellen der einzelnen Sozialleistungsträger zu scheitern. Im Bereich der Prävention sind sektoren- und trägerübergreifende Maßnahmen notwendig, wobei die Arbeitsmedizin mit einer moderierenden und fallsteuernden Leistung beitragen kann. Wichtig ist die Versorgung mit Früherkennungsuntersuchungen in betrieblichen Lebenswelten. Dazu müssen die arbeitsmedizinischen Möglichkeiten ausgebaut und im Sozialgesetzbuch V berücksichtigt werden. Das bewährte System der altersabhängigen Vorsorgeuntersuchungen, d. h. Kindervorsorgeuntersuchungen U 1 bis U 11, Jugendgesundheitsuntersuchung J 1 und J 2 sollten aus Sicht der Arbeitsmedizin dringend erweitert werden und im Erwachsenenalter einen besonderen präventiven Bezug zur beruflichen Situation beinhalten. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen sollen sich an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter von 35, 45 und 55 Jahren richten. Neben der medizinischen Untersuchung ist dabei auch das Qualifikationsprofil in Bezug zu den medizinischen Befunden zu setzen und der Arbeitnehmer zu beraten, ob sich daraus gesundheitliche Probleme ergeben können und wie dem präventiv entgegengewirkt werden kann.
  13. In Fachkreisen ist es unbestritten, dass gesetzgeberisch sinnvolle und notwendige Regelungen über Gesundheitsuntersuchungen durch Betriebs- oder Werksärzte ergänzt werden. Darüber können auch diejenigen versicherten Personen erreicht werden, die bisher Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und gesundheitlicher Prävention nicht genutzt haben. Diese Untersuchungsanlässe können von Betriebs- und Werksärzten als niederschwellige Angebote auch zur Prävention von psychischer Gesundheit genutzt werden. Um das Ziel der Beschäftigungsfähigkeit durch aktive Gesundheitsförderung und Gesundheitsvorsorge zu unterstützen, wird angeregt, auch in den Betrieben den Früherkennungsuntersuchungen, beispielsweise zur Krebsvorsorge als wichtigen Teil der Prävention den entsprechenden Stellenwert beizumessen. Dabei gehören – wie richtigerweise im Gesetzentwurf nach § 132 e Abs. 1 SGB V vorgesehen – auch allgemeine Schutzimpfungen, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Betriebsärzten durchgeführt und von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Wir regen deshalb an, in das Sozialgesetzbuch V einen neuen § 132 f mit folgender Formulierung einzufügen.„Soweit es erforderlich ist, über die betriebliche Lebenswelt zu Personen Zugang zu erhalten, die sonst nicht oder nur unzureichend mit Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten erreichbar sind, schließen die Krankenkassen oder ihre Verbände, in Ergänzung zur vertragsärztlichen Versorgung, Verträge über die Durchführung von Gesundheitsuntersuchungen nach § 25 Abs. 1, einschließlich der Früherkennung psychischer Warnsymptome mit geeigneten Fachärztinnen und Fachärzten für Arbeitsmedizin oder den über die Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ verfügenden Ärztinnen und Ärzten oder deren Gemeinschaften. Für die sächlichen und personellen Anforderungen an die Leistungserbringung nach Satz 1 gelten als Mindestvoraussetzungen die Anforderungen für die vertragsärztliche Versorgung entsprechend.“

Unser Verband ist gerne bereit, an den nächsten Schritten zur Konkretisierung von Zielen, Definition und Priorisierung von Maßnahmen mitzuwirken und mit allen politischen, institutionellen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger zusammen zu arbeiten. Wichtig ist uns, dass wesentliche, wissenschaftlich fundierte wie praxistaugliche Ansatzpunkte hervorgebracht werden, dass gesundheitliche Prävention gefördert werden kann. 

Dr. med. Wolfgang Panter
Präsident des VDBW

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