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Pro & Contra

Burnout — eine Krankheit?

Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Stephan Ahrens

Leiter des Psychosomatischen Fachzentrums Falkenried, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Psychoanalyse, Lehmweg 17 – 20251 Hamburg

 

PRO
Burnout ist nicht die Folge von Stress schlechthin, sondern von unbewältigtem Stress

Burnout und dazugehörige Folgen, finden in letzter Zeit wiederholt große mediale Beachtung. Die Thematik wurde mehrfach auf dem Titel überregionaler Zeitungen und Zeitschriften aufgegriffen, verschiedene prominente Vertreter bekannten sich öffentlich zu einem Burnout.

Burnout ist ein Risiko-Zustand, der das Befinden Betroffener beeinträchtigt und zu Erkrankungen führen kann, die einer medizinischen oder psychologischen Behandlung bedürfen. Das gesundheitliche Risiko von Burnout liegt in nicht abgebauten Erregungszuständen, einem erhöhtem Aktivitätsniveau, geschwächter Immunkompetenz und gesundheitlichem Risikoverhalten. Burnout ist dabei nicht die Folge von Stress schlechthin, sondern von unbewältigtem Stress.

Beim Burnout-Syndrom handelt es sich um ein Phänomen, das sich in den letzten Jahren in besorgniserregender Weise entwickelt hat, es wird auch von „seelischen Kollateralschäden der heutigen Arbeit“ gesprochen. Betroffen sind oftmals die ehemals robusten und leistungsfähigsten Mitarbeiter, zunehmend auch junge Menschen.

Durch das zunehmende Auftreten von Burnout und die mediale Präsenz der Thematik ist eine gesellschaftliche Diskussion über psychische Erkrankungen und Erschöpfungszustände angestoßen worden, die aus fachlicher Perspektive durchaus positive Aspekte mit sich bringt. Auch entsteht in diesem Kontext in der Allgemeinbevölkerung eine vermehrte Sensibilisierung und Akzeptanz für psychosomatische Zusammenhänge. Unsere Beobachtung ist, dass es Betroffenen auf dieser Basis sehr viel leichter fällt, sich zu psychischen Erkrankungen zu bekennen, und die Hemmschwelle, entsprechende professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, deutlich erniedrigt ist. Das bringt die große Chance mit sich, dass Menschen mit behandlungsbedürftigen Symptomen sich frühzeitig in Therapie begeben und, bevor es zu Chronifizierungen oder schweren Krankheitsbildern kommt, entsprechende Hilfe und Entlastung erfahren können.  

Prof. Dr. Manfred Pohl

Gründer und Geschäftsführendes Vorstandsmitglied im Frankfurter Zukunftsrat e.V., Geleitsstraße 14 – 60599 Frankfurt am Main

 

CONTRA
Bei „Burnout“ handelt es sich um ein, als Krankheit missverstandenes, soziokulturelles Phänomen

„Burnout“ ist keine Krankheit, denn hinter dem sog. „Burnout-Syndrom“ verbergen sich vielfach definierte psychische Erkrankungen, die klaren Diagnosen und Behandlungskriterien unterliegen (z. B. Depression). In erster Linie basiert dieser nicht medizinisch definierte Begriff auf der Selbstwahrnehmung der Betroffenen. Dass sich immer mehr im Berufsleben stehende Menschen als „ausgebrannt“ erleben (medizinischen Kriterien zufolge aber nicht krank sind), weist auf ein zunehmendes gesellschaftliches Unwohlsein hin. Dieses Unwohlsein entsteht nicht nur durch die Arbeit. Oft kommen die Hauptursachen aus dem privaten Bereich (wie im Falle einer Scheidung, bei der Kinder- oder Elternpflege). Auch wenn sich diese privaten und beruflichen Belastungen mit dem Wort „Burnout“ am einfachsten umschreiben lassen, muss klar sein, dass es sich dabei um ein soziokulturelles Phänomen handelt, das als Krankheit missverstanden wird. Es ist wichtig zu betonen, dass Arbeit per se nicht krank macht. Ein schlechtes Arbeitsklima und eine hohe Belastung dagegen können zu einer Erkrankung führen, die aber beim Namen genannt und nicht allgemein als „Burnout“ degradiert werden sollte. Um ein Burnout-Erleben zu vermeiden, obliegt es sowohl der Verantwortung des Einzelnen als auch der Betriebe, das Miteinander und die Arbeitswelt so zu gestalten, dass nicht unnötig Stress entsteht. Es bedarf einer Unternehmenskultur, in der psychosoziale Belastungssituationen in allen Bereichen angesprochen werden können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen. Dieser Aspekt wird in der Arbeitswelt noch zu wenig beachtet. Ein wesentlicher Schritt zur Verminderung des Burnout-Erlebens wäre ein Früherkennungsprogramm, das man in den Betrieben etabliert.

Angesichts der Tatsache, dass schon durch den erhöhten Druck auf der Arbeit viele Menschen das Gefühl haben, an einer Krankheit zu leiden, möchte der Frankfurter Zukunftsrat davor warnen, den Begriff „Burnout“ als Krankheit zu bezeichnen. Vielmehr halten wir das Phänomen „Burnout“ für eine Modediagnose, die sich zwar gut kommunizieren lässt, aber dennoch keine Krankheit ist – schon gar nicht eine, die durch zu viel Arbeit entsteht. 

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