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Loyalität im Betrieb und Loyalitätskonflikte

Entwicklungsgeschichte der Loyalität

Gruppen stillen effektiver als Einzelindividuen ihre Grundbedürfnisse wie Nahrung, Sicherheit oder Schutz vor Klimaeinflüssen. Dafür erbringen die einzelnen Mitglieder Vorleistungen wie etwa die Übernahme persönlicher Risiken bei der Jagd. Die Gruppe wiederum gewährleistet dem Individuum, dass es ihr vertrauen kann. Hierzu muss die Gruppe abgegrenzt und überschaubar sein, die Mitglieder müssen sich kennen. Dann reichen informelle Vereinbarungen auf der Basis des Vertrauens aus, dass das Gruppenmitglied seine Pflicht für die Gruppe erfüllt und sich für sie einsetzt. Als Ursprungsgruppe ist in der Regel der Familienverband zu sehen. Entwicklungsgeschichtlich ist das Entstehen loyalen Verhaltens wohl in solchen Gruppen zu suchen.

Werden Gruppen zu groß (s. auch Anmerkung), können die interagierenden Mitglieder nicht mehr alle sich gegenseitig und ihr zu vermutendes Verhalten kennen und abschätzen. Sie können kein unmittelbares Vertrauen mehr entwickeln. Dann wird ein abstrakter Rechtsrahmen, eine Gesetzgebung, notwendig. Genau dies ist historisch wohl erstmals mit der Entwicklung der Sesshaftigkeit und der Stadtstaaten im Bereich des fruchtbaren Halbmonds geschehen.

Die sozialen Werte Moral, Rechtstreue und Loyalität

Moralische Regeln sind die Grundlage der Handlungskoordinierung (der sozialen Interaktion) zwischen Personen ( Horster 2009) ( Tabelle 1). In einfachen Kulturen sind moralische, soziale und religiöse Normen und Werte voneinander ununterschieden und werden von allen geteilt (Nunner-Winkler 2015). Für die Vernunft-Moral komplexerer Kulturen (die vom Einzelnen nicht mehr zu überblicken sind) hingegen gilt:

  1. Auch Fremde darf man nicht betrügen (soziale Erweiterung; Nunner-Winkler 2015). Rechtsnormen sichern hier die wichtigen moralischen Regeln ab (Bayertz in Horster 2009). Sie gelten ohne Anschauung des Individuums. Die Befolgung moralischer Regeln folgt einem inneren Zwang, das Recht hingegen zwingt äußerlich (Kant in Horster 2009).
  2. Es gilt zudem: Ein Verhalten, das andere nicht schädigt, ist erlaubt (inhaltliche Einengung). In emotional oder durch gemeinsame Ziele verbundenen Gruppen innerhalb der Gesellschaft kann loyales Verhalten gepflegt werden, solange die moralischen Regeln und Rechtsnormen dadurch nicht verletzt werden.

Gerechtigkeit in einer Gesellschaft

Nach Rawls werden die Regeln des Zusammenlebens unter dem Schleier des Nichtwissens der eigenen Stellung innerhalb der Gesellschaft („veil of ignorance“) erarbeitet (Kelly 2006). Auf diese Weise gewährleistet die Gesetzgebung „gleiche Ausgangsbedingungen, Fairness und Zugang zu Ämtern“ und damit „Gerechtigkeit als Fairness“. Diese Regeln geben allerdings nur einen Rahmen vor. Der konkrete Umgang miteinander wird in den Gruppen, in denen die soziale Interaktion stattfindet, geregelt. Die Gesellschaft greift in deren Abläufe nur bei eigenem Interesse ein, etwa, wenn die Stabilität der Gesellschaft durch das Handeln innerhalb der Gruppe bedroht ist oder wenn Regeln innerhalb der Gruppe denen der Gesellschaft widersprechen. So gesteht sie der Familie als Gruppe weitgehende Autonomie (z. B. auch durch das Zeugnisverweigerungsrecht) zu. Nur bezüglich der Entwicklung des Kindes (Unversehrtheit, Schulpflicht) und des Unterhalts von Kindern bzw. naher Verwandter (Unterhaltspflicht) gibt sie Regeln vor. Dadurch schützt sie die Kinder als künftige aktive Mitglieder der Gesellschaft.In die Abläufe des Betriebs greifen gesetzliche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer als Gliedern der Gesellschaft ein (Arbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz usw.). Gerade der zentrale Bestandteil des Arbeitsverhältnisses aber, der Arbeitsvertrag, wird in der inhaltlichen Ausformung weitgehend den Akteuren innerhalb der Gruppe (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Personalvertretung) überlassen. Wenige übergeordnete Regelungen wie der Mindestlohn dienen dann wiederum dem gesellschaftlichen Frieden.

Loyalität gegenüber einer Gruppe

Der Begriff der Loyalität wird mit unterschiedlichen Bedeutungen (s. Kasten „Definition“) belegt (Keller 2007; Bucher et al. 2011; Mertes 2012; Felfe 2011; Kelly 2006). Für die folgende Erörterung muss er eindeutig definiert werden.

Die Gesetzgebung regelt das übergeordnete Verhalten in der Gesellschaft. Innerhalb der Gesellschaft können sich Gemeinschaften (Gruppen) zusammentun und eigene Wege und Ziele verfolgen, solange sie damit die Stabilität der Gesellschaft nicht beeinträchtigen (Kelly 2006). Auch innerhalb einer Gruppe bestehen Regeln. Sie beruhen auf den allgemeinen Pflichten nach Ross (Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Wohltätigkeit, Selbstvervollkommnung, anderen nicht schaden; Horster 2009). Auf der Basis der Reziprozität leistet der Einzelne für seine Gruppe etwas und erwartet einen entsprechenden Gegenwert. Darüber hinaus ist er aber mit eben der Gruppe, in der er selbst verortet ist, in besonderer Weise verbunden. Diese Verbundenheit entspringt emotional gefärbten Umständen wie Dankbarkeit, Schuldgefühl, Vertrauen oder Liebe. Sie entsprechen den besonderen Pflichten nach Ross. Aus diesen Emotionen heraus ist das Individuum bereit, mehr in die Gruppe zu investieren, als es realistischerweise zurückzubekommen erwarten kann und als es in eine andere, ihm fremde Gruppe investieren würde. Dies wird als Loyalität gegenüber einer Gruppe definiert. Zielobjekte der Loyalität können Personen und Personengruppen wie etwa die Familie, die Gruppe im Verein, in der politischen Partei oder in der Religionsgemeinschaft sein, oder eben die Firma, der Betrieb. Auch die gesamte Belegschaft der Firma/des Betriebs kann als Loyalitätsobjekt identifiziert werden, solange sie ausreichend klein und überschaubar ist. Mit diesem besonderen, durch eine emotionale Bindung gekennzeichneten interpersonellen Verhältnis und auch dem daraus folgenden Verhalten bevorzugt der Einzelne seine Gruppe vor anderen ähnlichen. Seine Loyalität zielt daher vom Ansatz her nicht auf Gerechtigkeit nach außen.Politische oder religiöse Überzeugungen, aber auch die Übereinstimmung mit dem Produkt und der sozialen Einstellung (also den Zielen) eines Betriebs sind hingegen der ethischen/moralischen Grundüberzeugung zuzuordnen.

Notwendigkeit und Sinn der Loyalität, Motivation

Kühl (2011) definiert die „Indifferenzzone“ des Arbeitsvertrags als den Hauptgrund für die Notwendigkeit der Loyalität im Betrieb. Die Gesetzgebung regelt nur formal den Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag selbst beschreibt zwar exakt die zeitlichen, aber nur sehr ungenau die inhaltlichen Arbeitsverpflichtungen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer stellt „mit dem Unterzeichnen eines Arbeitsvertrags eine Art „Blankoscheck“ aus und erklärt sich bereit, seine Arbeitskraft, seine Fähigkeit, seine Kreativität gemäß der ihm gestellten Aufgabe einzusetzen“ (Kühl 2011). Es ist offensichtlich, dass das Ausmaß dieses Einsatzes auch von der emotionalen Zuwendung zur Arbeit abhängt („Dienst nach Vorschrift“ versus „Er zerreißt sich für die Arbeit“). Als Maß dieser Zuwendung verwendet Felfe (2011, angelehnt an Meyer u. Allen 1997) den Begriff des Commitments und verbindet hiermit aktives Engagement und das Bestreben, in der Organisation zu bleiben. Er beschreibt drei Formen, nämlich das affektive, das rationale oder kalkulatorische und das normative Commitment (Felfe 2011, S. 19). Beim affektiven Commitment wollen und wünschen die Mitarbeiter die Verbindung mit dem Betrieb, beim rationalen/kalkulatorischen Commitment halten sie sie zum aktuellen Zeitpunkt für vernünftig und opportun, beim normativen Commitment sehen sie sich dazu verpflichtet. Das affektive Commitment ist am ehesten dem Begriff der Loyalität, wie oben beschrieben, gleichzusetzen. Zum Unternehmenserfolg, gemessen am Einsatz für das Unternehmen („organizational citizenship behaviour“), Produktivität, Profitabilität, Kundenzufriedenheit und Fluktuation, tragen insbesondere das affektive Commitment, in geringerem Ausmaß auch das normative, nicht aber das kalkulatorische Commitment bei.

Kühl beschreibt fünf verschiedene Ansätze, die Mitarbeiter zum Einsatz für den Betrieb zu motivieren, nämlich

  • Geld und Sicherheit,
  • Zwang,
  • Zweckidentifikation (Lebensziel, s. auch Jung u. Jung 2014),
  • Attraktivität der Handlung (Traumberuf) und
  • Kollegialität.

Nur für die letzten drei Ansätze kann ein affektives Commitment erwartet werden.

Problematik der Loyalität

Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse

Es braucht Zeit und Mühe, Vertrauen, um damit Loyalität aufzubauen. In stabilen Arbeitsverhältnissen trägt sie zum Erfolg der Gruppe/des Betriebs bei. Zeitliche und räumliche Flexibilisierung zeigt sich in neuen Arbeitsformen und -situationen wie Teleheimarbeit, Remote Working, virtueller Teamarbeit, Crowdwork, Outsourcing, Mitarbeiter-Sharing, Zeitarbeit (DGUV 2016; Felfe 2008; Kühl 2011; s. auch Infokasten). Senett (2006) sieht moderne institutionelle Netzwerke durch „die Stärke schwacher Bindungen“ gekennzeichnet, in der starke soziale Bindungen wie Loyalität ihrer Bedeutung verloren hätten. „Nichts Langfristiges“ sei ein verhängnisvolles Rezept für die Entwicklung von Vertrauen, Loyalität und gegenseitiger Verpflichtung. Die oben beschriebenen Motivationsansätze für ein affektives Commitment fallen weitgehend weg.

Change Management

Loyalität im Betrieb stellt einen stabilisierenden Faktor dar. Im modernen Betrieb ist aber Flexibilität auf vielen Ebenen gefragt. Das Produktziel des Betriebs kann sich ändern, Vorgesetzte kommen und gehen; statt in einer konstanten Kollegenschaft zu arbeiten, wird projektbezogene Teamarbeit mit wechselnden Bezugspersonen gefordert. Schließlich werden vom Arbeitnehmer auch immer wieder andere, neue Fertigkeiten verlangt, lebenslanges Lernen und damit der immer neue Einsatz werden erwartet, ebenso eine Flexibilität bezüglich des Arbeitsortes und der Arbeitszeit. In allen Fällen kann Loyalität zum Problem werden, wenn etwa der Arbeitnehmer seinen Einsatzwillen genau aus seiner Liebe zum Produkt, seinem Vertrauen zum Arbeitgeber oder zu den Kollegen herleitet. Zudem kann er genau deshalb einsatzwillig sein, weil er seine erlernten Fähigkeiten zeigen kann, weil er die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten der Arbeit mit seinen privaten Wünschen in Einklang bringen kann, er sie deshalb schätzt und bereit ist, sich über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus in die Produktion einzubringen.

Loyalitätskonflikte können sich manifestieren als:

  • Konflikte zwischen eigenen Wünschen und der Loyalität zum Betrieb. Zur Lösung kann eine Klärung der Wichtung der eigenen und der betrieblichen Wünsche beitragen.
  • Konflikte aufgrund von Anforderungen unterschiedlicher Hierarchieebenen. Es ist zu klären, auf welche Hierarchieebene sich die Loyalität tatsächlich richtet.
  • Konflikte aufgrund unterschiedlicher kontingenter Pflichten innerhalb der Gruppe oder gegenüber zweier Gruppen, denen die Person zugehört (Dilemma, z.B. Mitarbeiter-Sharing). Hier gibt es oft keine reibungslose Lösung.
  • Konflikte zwischen Anforderungen aus der Gruppe heraus gegenüber allgemeingesellschaftlichen Anforderungen (Gesetze) oder der eigenen Moral: Zugehörigkeit zu einer Gruppe mag besondere Rechte – und Pflichten – begründen, allerdings nur insoweit, als diese nicht mit universal geltenden Rechten und Pflichten oder Überzeugungen in Konflikt stehen (Mertes 2012).

Die Problematik der Loyalitätskonflikte soll abschließend an einigen Beispielen beleuchtet werden.

Beispiele

Änderung auf Vorgesetztenebene

Der bisherige Vorgesetzte wird versetzt. Der neue Vorgesetzte sieht die Notwendigkeit einer Änderung der Ausrichtung und damit auch der Führung der Abteilung. Die Mitarbeiter waren dem früheren Vorgesetzten – unabhängig von der letztendlichen Richtigkeit seiner Entscheidungen – aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit auf persönlicher Ebene loyal verbunden. Der neue Leiter wird aufgrund seiner Änderungsvorhaben abgelehnt. Was ist passiert? In der langjährigen Zusammenarbeit mit dem früheren Leiter wurde die ursprüngliche Verbundenheit zum Unternehmen auf ihn projiziert. Dies ist nicht ungewöhnlich, geht man doch gerade in großen, nicht in ihrer Gesamtheit überblickbaren Unternehmen davon aus, dass der direkte Vorgesetzte das Unternehmen und seine Ziele repräsentiert. Sein Verlassen des loyalen Standpunkts gegenüber dem Wohl des Unternehmens wurde erst mit dem Wechsel der Führung offenbar. Die Mitarbeiter empfinden daher die jetzigen Anforderungen zur strategischen Richtungsänderung als Angriff auf den Wert ihrer bisherigen Tätigkeit und als Infragestellung ihrer eigenen Verbundenheit zum Unternehmen. Lösungsansatz: Die Re-Orientierung auf das Unternehmen ist zielführend für die Auflösung des Konflikts (s. auch Infokasten).

Änderung Unternehmensziele

Das Produkt des Unternehmens wird von der Unternehmensleitung als für das Unternehmen förderlich, gleichzeitig auch als qualitativ hochwertig angesehen. Diese Einschätzung wird von der Mitarbeiterschaft geteilt. Sie ist stolz darauf, in einem solchen Unternehmen zu arbeiten. Aufgrund von geänderten Rahmenbedingungen (Mittelknappheit, Konkurrenzdruck) besteht die Notwendigkeit von Modifikationen im Produktionsablauf. Dadurch steigt kurzfristig die Konkurrenzfähigkeit, mittelfristig erhöht sich aber das Risiko, dass das Produkt an Qualität, einem der wesentlichen Standbeine der Bedeutung des Unternehmens, verliert. Es tut sich ein Konflikt zwischen den Projektionszielen „Loyalität zur Geschäftsleitung“ und „Identifikation mit den Unternehmenszielen“ auf.Lösungsansatz: Es wird darauf ankommen, welches Vertrauen in ihre Führungsqualitäten die Geschäftsleitung insgesamt genießt.

Mitarbeiter-Sharing und Flexibilisierung

Frau X. hat in zwei Betrieben jeweils eine halbe Stelle mit flexiblen Arbeitszeiten inne. Von beiden Betrieben wird sie oft kurzfristig um die Übernahme eines Dienstes gebeten. Die zeitlichen Wünsche der beiden Betriebe kollidieren immer wieder. Lösungsansatz: Sie fühlt sich beiden Betrieben loyal verpflichtet. Dieses Dilemma ist nicht zur Zufriedenheit aller aufzulösen. Ihre Zusage wird u.a. vom kollegialen Verhältnis und dem Entgegenkommen beider Betriebe abhängen.

Loyalitätskonflikt Kollegialität – Wohlergehen des Unternehmens, zwei Fallbeispiele

a) Der Vorgesetzte fragt einen Mitarbeiter, ob dessen Kollege seines Erachtens für einen bestimmten höheren Posten geeignet ist. Der Mitarbeiter hält den Kollegen für nicht geeignet, ist aber mit diesem befreundet. Es besteht ein Konflikt in der Loyalität gegenüber dem Kollegen, dem Vorgesetzten und dem Wohlergehen der Firma. Lösungsansatz: Eine solche Frage über die Hierarchiegrenzen hinweg ist problematisch. Kennt der Vorgesetzte das freundschaftliche Verhältnis, sollte er um so weniger fragen.

b) In einer Revisionsabteilung ist es – wie in den anderen Abteilungen des Betriebs auch – üblich, dass Büroartikel von geringerem Wert (Druckerpapier bis ganz vereinzelt Tonerkartuschen) auch für den privaten Gebrauch ver(ent-)wendet werden. Dies wird von den Kollegen gedeckt und von den Vorgesetzten unter dem Anschein des Nichtwissens geduldet. Ein Loyalitätskonflikt kommt hier dadurch auf, dass auf der einen Seite dieses Verhalten kollegial gedeckt werden soll. Auf der anderen Seite wird die Funktionsfähigkeit der Abteilung in Gefahr gebracht. Die Mitarbeiter der Abteilung werden erpressbar, da sie im Kleinen genau das Verhalten zeigen, das zu unterbinden ihre Aufgabe ist. Zudem liegt tatsächlich eine Straftat vor. Hier kollidieren die Bedürfnisse, einerseits den Kollegen gegenüber loyal zu sein und andererseits den Ansprüchen an die eigene berufliche Tätigkeit und die moralischen sowie gesellschaftlichen Überzeugungen zu entsprechen.Lösungsansatz: Das Verhalten muss dringend unterbunden werden, u.U. auch durch eine Meldung.

Prinzipielle Lösungsansätze

Es ist wichtig, sich bewusst zu werden, dass überhaupt ein Loyalitätskonflikt besteht. Es ist zu klären, ob …

  • … der Konflikt durch unterschiedliche Anforderungen verschiedener Hierarchieebenen innerhalb der Gruppe entsteht. Dann ist klarzustellen, welcher Hierarchieebene man sich eigentlich in Loyalität verpflichtet fühlt.
  • … der Konflikt durch Anforderungen unterschiedlicher Personen innerhalb der Gruppe bei jeweils bestehender Verpflichtung entsteht. Dann besteht ein echtes Dilemma und man wird sich – auch unter Inkaufnahme des Unwillens der benachteiligten Person – entscheiden müssen. Durch die Erklärung des Dilemmas wird man den Ärger möglicherweise mildern können.
  • … der Konflikt dadurch entsteht, dass die Anforderungen aus der Gruppe allgemein-gesellschaftlichen Anforderungen (Gesetzen) oder der eigenen Moralvorstellung zuwider laufen. Dann muss der Betroffene möglicherweise zum Whistleblower werden.

Schlussfolgerungen

Die sozialen Werte Moral, Rechtsempfinden und Loyalität spielen allesamt für das Handeln der Akteure im Betrieb eine Rolle. Zum Wohle des Betriebs und seiner Mitarbeiter/innen lohnt es sich, deren Einflüsse zu analysieren. Insbesondere im Rahmen des Change Managements kann die (Er)kenntnis von Loyalitätskonflikten und deren Angehen dazu beitragen, ob angestrebte Veränderungen ge- oder misslingen.

Literatur

Bucher RKB, Hagmann T, Thomann G (Hrsg.): Loyalität. Bern: Hep-Verlag, 2011.

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV): Neue Formen der Arbeit, Neue Formen der Prävention Arbeitswelt 4.0: Chancen und Herausforderungen. DGUV, 2016.

Felfe J: Mitarbeiterbindung. Göttingen: Hogrefe, 2008.

Jung D, Jung J: Arbeit und ihr Verhältnis zur Zeit. In: Windemuth D, Jung D, Petermann O (Hrsg.): Praxishandbuch psychische Belastungen im Beruf. Vorbeugen, Erkennen, Handeln. 2. Auflage. Wiesbaden: Universum, 2014.

Kelly E (Hrsg.): John Rawls – Gerechtigkeit als Fairneß. Ein Neuentwurf. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2006.

Saramäki J, Leicht EA, López E, Roberts SGB, Reed-Tsochas F, Dunbar RIM (2014) Persistence of social signatures in human communication. PNAS 2014; 111: 942–947.

Die vollständige Literaturliste steht Ihnen im Anhang als PDF zur Verfügung.

Fußnoten

1 Widmung: Ich danke insbesondere Ute Meinert-Kaiser (Universum-Verlag Wiesbaden), Dirk Windemuth (IAG Dresden), Johannes Jung (Polizei Rheinland-Pfalz), Michael Sommer (ZDF Mainz) und meiner Frau Hanne für Diskussionen und die kritische Durchsicht des Manuskripts. Ute Meinert-Kaiser, Dirk Windemuth und ich widmen den Artikel dem verstorbenen Olaf Petermann (BG ETEM), mit dem uns lange Jahre schöner und fruchtbarer Arbeit und die gemeinsame Arbeit an der Herausgabe zweier Bücher verbinden.

    Anmerkung

    Einen Hinweis auf die numerische Grenze des Übergangs von einer durch Loyalität verbundenen Gruppe zu einer durch Rechtslegung definierten Gesellschaft gibt die so genannte Dunbar-Zahl. Robin Dunbar stellt bei den Primaten eine Verbindung zwischen der Größe des Gehirns und der Obergrenze der sich bildenden Gruppengrößen fest. Inhaltlich nimmt er an, dass die Gruppengröße durch die Möglichkeit, untereinander vertraut zu werden (bei Affen durch „grooming“), begrenzt ist. Liegt die Dunbar-Zahl bei Affen bei ~40, so wird sie für den Menschen mit ~150 angegeben. Dieser Ansatz wird sehr ernsthaft weiterverfolgt. So stellt etwa Saramäki fest, dass das soziale Netzwerk einer Person (das der emotionalen Stabilisierung durch Kommunikation bedarf) in seiner Größe stabil und begrenzt bleibt, auch wenn sich die einzelnen Bezugspersonen im Lauf der Zeit ändern (Saramäki et al. 2014). Kommen neue, wichtige Bezugspersonen hinzu, so fallen andere in ihrer Bedeutung zurück oder gar aus dem Netzwerk heraus. Eine auf Vertrauen und emotionaler Zuwendung aufgebaute Gruppe – innerhalb derer Loyalität herrscht – scheint also eine zahlenmäßige Obergrenze zu haben, sie muss emotional überschaubar sein.

    Definition

    Begriff „Loyalität“

    Guetzkow (1955): Loyalty: An attitude predisposing its holder to respond toward an idea, person, or group with actions perceived by the holder to be supportive of, and/or with feelings which value the continued existence of, the object toward which the attitude is directed.

    Keller (2007): Loyalty is the attitude and associated pattern of conduct that is constituted by an individual’s taking something’s side, and doing so with a certain sort of motive: namely, a motive that is partially emotional in nature, involves a response to the thing itself, and makes essential reference to a special relationship that the individual takes to exist between herself and the thing to which she is loyal.

    Hirschman (1970): … repräsentiert Loyalität die Bereitschaft, sich mit Engagement, das ausdrücklich auch Widerspruch beinhalten kann, für die Organisation einzusetzen, obwohl die Möglichkeit zum Verlassen der Organisation besteht.

    Info

    Neue Arbeitsformen

    Mobiles Arbeiten: bezeichnet das Arbeiten außerhalb der Betriebsstätte. Es umfasst die Arbeit von zu Hause aus (Telearbeit, alternierende Telearbeit), die Arbeit beim Kunden (z.B. Service oder Vertrieb), die Arbeit von unterwegs (z.B. Flugzeug, Hotelzimmer) und die Arbeit im Rahmen von Dienstreisen (z.B. Messe, Kongress).

    Remote Working: Mobil Arbeitende erbringen einen Großteil ihrer Arbeitsleistung von unterwegs, bei Kunden vor Ort oder von anderen Standorten des eigenen Unternehmens aus. Sie sind abhängig von Verkehrsaufkommen und Zuverlässigkeit der Verkehrsmittel.

    Virtuelle Teamarbeit: Gerade Wissensarbeit wird zunehmend in standortübergreifenden, wechselnden Teams erbracht, was die Zusammenarbeit über Distanz stärker notwendig macht, um allzu große Reiseaufwände zu vermeiden. Im Vordergrund stehen hier die ergebnisorientierte Arbeitsweise und die virtuelle Vernetzung.

    Crowdwork: nennt sich eine höchst flexible Arbeitsform, bei der Arbeitskräfte bedarfsorientiert über ein virtuelles Netzwerk rekrutiert werden. Meist stehen dabei Solo-Selbstständige im globalen Wettbewerb zueinander. Die Bezahlung erfolgt ausschließlich projektbezogen und nach erfolgreicher Fertigstellung und Abnahme durch die Auftraggeber. Nutzerinnen und Nutzer einer Crowdwork-Plattform können nach Fertigstellung des Auftrags über ein Bewertungssystem beurteilt werden.

    Mitarbeiter-Sharing: Ein Erwerbstätiger wird gemeinsam von mehreren Unternehmen beschäftigt. Die Unternehmen bilden z.B. einen gemeinsamen Personalpool oder verleihen Erwerbstätige bei schwacher Auftragslage an andere Unternehmen.

    Quelle: DGUV 2016

    Info

    Funktion des Vorgesetzten im Betrieb?

    • Die Identifikation mit dem Produkt und der Einstellung des Betriebs („Ich bin Opelaner, ZDFler, gehöre zur Zeche …“) ist durch ethisch/moralische Überlegungen gekennzeichnet. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ist es sinnvoll, dies nicht mit Loyalität gleichzusetzen. Das Identifikationsziel ist keine Person, sondern ein moralisch zu beurteilender Wert.
    • Ein großer Betrieb zeichnet sich durch Hierarchieebenen aus. Die Vorgesetzten in der Hierarchie des Betriebs haben außer ihrer organisatorischen Aufgabe auch eine Funktion im Rahmen der Loyalitätsfindung. In aller Regel ist die zugeordnete Mitarbeitergruppe überschaubar im Sinne auch der Dunbar-Zahl. Die einzelnen Mitarbeiter können ihre Loyalität auf den Vorgesetzten (oder auch die Kolleginnen und Kollegen) projizieren. Neben dem Vertrauen in die Person des Vorgesetzten tun sie dies, weil sie sich mit dem Betrieb identifizieren und den Vorgesetzten als Surrogat des Betriebs selbst sehen. Sie vertrauen ihm, dass er selbst seinen höheren Hierarchieebenen und schließlich auch dem Betrieb gegenüber loyal ist bzw. sich mit dessen Zielen identifiziert.
    • Diese Konstellation trägt bei stabilen Verhältnissen innerhalb des Betriebs. Bei Änderungen (zum Beispiel neue Leitung) kann es zu Loyalitätskonflikten und damit zu einer kognitiven Dissonanz der Mitarbeiter kommen. Diese kann im Idealfall durch die Bearbeitung der Frage aufgelöst werden, ob nicht hinter der Loyalität gegenüber dem Vorgesetzten eigentlich die moralische Identifikation mit dem Betrieb steht. Damit kann auch der neue Vorgesetzte (unter Voraussetzung von dessen loyalem Verhalten und moralischer Identifikation) akzeptiert werden.

    Weitere Infos

    Keller Johnson L: Rethinking Company Loyalty

    hbswk.hbs.edu/item/rethinking-company-loyalty

    Autor

    Dr. med. Detlev Jung

    ZDF Mainz

    Betriebsärztliche Station

    55100 Mainz

    Jung.D@zdf.de

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