Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Ergonomie an Montagearbeitsplätzen in der Produktion

Grundlagen

Die Betrachtung der ergonomischen Faktoren wird bereits durch den §3 des Arbeitsschutzgesetzes als rechtliche Verbindlichkeit im Arbeitsschutz gefordert. Danach hat der Arbeitgeber die Gefährdungen durch die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes zu bewerten. Darüber hinaus wird die Ergonomie von Arbeitsplätzen nicht nur durch die im Jahr 2015 novellierte Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert, sondern insbesondere durch die im November 2016 neu erschienene Arbeitsstättenverordnung (s. „Weitere Infos“).

Die ergonomischen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz müssen speziell in der Montage und hier im Besonderen durch die hohe körperliche Belastung und den Leistungsdruck, dem die Mitarbeiter verstärkt ausgesetzt sind, beurteilt werden. Die bei den Montagearbeitsplätzen vorliegenden arbeitsbedingten Belastungsfaktoren werden zumeist durch Arbeitsplatzgestaltung und Tätigkeitsausführung geprägt. Zwangshaltungen, statische Körperhaltungen und wiederkehrende monotone Tätigkeiten verstärken die Belastungen auf die Mitarbeiter. Die Körperhaltungen, die die Mitarbeiter bei typischen Montagetätigkeiten wie z.B. beim Zusammenfügen von Werkstücken oder bei der Qualitätskontrolle einnehmen, entsprechen oftmals nicht der menschlichen Anatomie. Darüber hinaus ist der Mensch nicht dafür geschaffen, lange in gleichbleibender Körperhaltung zu verharren und dabei wiederkehrende Bewegungen und Tätigkeiten auszuüben. Bei der Betrachtung der Belastungsfaktoren unter ergonomischen Gesichtspunkten wird die individuelle körperliche Konstitution zumeist nicht berücksichtigt. Im Gesamtkontext geht sie aber als weiterer wesentlicher Faktor mit ein, wenn Einflussnahme und Auswirkung von Belastungen auf den Körper zu definieren sind.

Ein wesentlicher Grund, warum die Mitarbeiter an Montagearbeitsplätzen häufig und dann auch über einen längeren Zeitraum körperliche Probleme bekommen, ist die Tatsache, dass die vorhandenen Arbeitsplätze oftmals nicht an die jeweilige körperliche Konstitution und Anatomie angepasst sind (Anthropometrie). Im Wechselschichtbetrieb bedeutet das, dass mehrere Montagemitarbeiter den gleichen Arbeitsplatz bedienen. Dabei erfolgt die Auswahl der Mitarbeiter nicht nach der persönlichen Anatomie wie Körpergröße, Proportion oder Muskulatur. Werden diese Kriterien aber schon im Vorfeld bei der Einrichtung der Montageplätze betrachtet und berücksichtigt (Gefährdungsbeurteilung), so lassen sich offensichtliche Probleme frühzeitig erkennen und die Montageabläufe entsprechend optimieren. Mittel- und vor allem langfristig werden dadurch belastungsinduzierte Erkrankungen in hohem Maße verhindert.

Betriebliche Umsetzung

Da dieser Umstand mittlerweile erkannt worden ist, setzen die Unternehmen vermehrt auf die Auslegung und Erarbeitung von ergonomisch richtigen Montagearbeitsplätzen. Ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze dienen der Gesunderhaltung der Mitarbeiter und sind ein wesentlicher Beitrag zum betrieblichen Gesundheitsschutz. Studien haben gezeigt, dass ergonomisch ausgeführte Arbeitsplätze zu einer Reduzierung der Belastung am Arbeitsplatz führen. Das wiederum führt zu höherer Produktivität, geringerer Fehlerzahl sowie Steigerung der Qualität und damit letztendlich zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens am Markt. Darüber hinaus gibt es weniger arbeitsplatzbedingte Ausfall- und Krankentage, was wiederum die Produktions- und Stückkosten senkt. Insgesamt fördert es die Motivation der Mitarbeiter und die Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen.

Arbeitsorganisation und -ablauf werden bei der Arbeitsgestaltung häufig unterschätzt

Damit diese jedoch erreicht werden kann, müssen die Fähigkeiten und Fertigkeiten des einzelnen Mitarbeiters bei der Auslegung und Planung der Arbeitsplätze berücksichtigt werden. Wesentlich ist hierbei auch die richtige Verwendung der zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel. Diese müssen – ebenso wie die Arbeitsplätze selbst – in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt werden, um insgesamt ein optimales Arbeitssystem zu erhalten. Hierbei spielt neben der Anthropometrie und der psychologischen Gestaltung die informationstechnische Gestaltung eine immer wichtigere Rolle. Insbesondere gilt es hier, eine Überforderung der Mitarbeiters zu verhindern und somit mögliche Fehleranfälligkeiten zu verhindern.

Aber nicht nur die Auslegung von ergonomisch guten Arbeitsplätzen, z.B. mit höhenverstellbaren Tischen, ergonomisch angepassten Stühlen, individuell einstellbaren Arbeitsplatzlampen oder Hilfen beim Umgang mit Werkzeugen, begünstigen die positive Arbeitsplatzgestaltung. Wesentliche und leider häufig unterschätzte Faktoren bei der Arbeitsplatzgestaltung sind die Arbeitsorganisation und der Arbeitsablauf. Dazu zählen unter anderem die Verfahrensabläufe innerhalb eines Teilprozesses oder die Anordnung der Arbeitsplätze innerhalb des Prozessablaufs. Hier ist zu überlegen, ob es in dem Prozess möglich ist, dem Mitarbeiter auch Steh- und Bewegungsphasen einzuräumen.

In der Praxis gibt es verschiedene Möglichkeiten, Montagearbeitsplätze so anzuordnen, dass sich durch die individuelle Ausrichtung zueinander unterschiedliche Workflows generieren lassen. So kann man beispielsweise Einzelarbeitsplätze einrichten, die einzeln unabhängig, aber dennoch im Verbund betrieben werden. Weiterhin gibt es linienabhängige Montagearbeitsplätze, die an einer Fördereinheit (meist Transferbänder) seitlich orthogonal angeordnet sind. Allerdings kann es hier zu Zeitdruck kommen, da die Systemtaktung der Montagezellen aufeinander abgestimmt sind. Dieser zeitliche Belastungsfaktor muss im Gesamtsystem berücksichtigt werden, da hierdurch die Abhängigkeit der Montagearbeitsplätze untereinander und zur Fördereinheit verstärkt wird. Es gilt, die verschiedenen Belastungen gegeneinander im Arbeitssystem zu gewichten (Gefährdungsbeurteilung). Darüber hinaus gibt es Linienförderbänder, an denen die Montagearbeitsplätze parallel verlaufend angeordnet sind.

Steh- und Sitzarbeitsplätze

Im Montagebereich sind heute sowohl Steh- als auch Sitzarbeitsplätze eingerichtet. In der Vergangenheit war an Montage- und Linienarbeitsplätzen häufig nur die Stehvariante zu finden. Die Mitarbeiter mussten während ihrer Arbeitsschichten am Montageband bzw. Tisch stehen und die Teile meist in Handarbeit oder mit nur geringer maschineller Unterstützung fertigen.

Im Vergleich zu einer sitzenden Tätigkeit ist langes Stehen für den Körper nachteiliger. Es muss deutlich mehr Energie aufgewendet werden, den Körper aufrecht zu halten als dies im Sitzen der Fall ist. Dadurch kommt es schneller zur Ermüdung mit der Folge abnehmender Konzentration. Harte Betonböden begünstigen hier den negativen Einfluss auf die Füße, den Rücken und den gesamten Bewegungsapparat des Menschen. Das wiederum führt zu verstärkten Rücken- und Fußschmerzen.

Somit wurden die Steharbeitsplätze vermehrt durch Sitzarbeitsplätze abgelöst und Montagehilfen eingeführt. Die Folge: Diese Belastung der Mitarbeiter wurde durch langes Sitzen abgelöst, was wiederum andere gesundheitliche Probleme mit sich bringt. Durch das langes meist statisches Sitzen werden das Binde- und Stützgewebe sowie das Nerven- und Herz-Kreislauf-System in Mitleidenschaft gezogen.

Fazit

Ein ergonomisch guter Montagearbeitsplatz zeichnet sich durch verschiedene Eigenschaften aus. Zu empfehlen sind zum Beispiel Sitz- wie auch Stehphasen, die im Wechsel erfolgen sollen. Dadurch ist der Mitarbeiter in Bewegung, die beteiligten Muskelgruppen werden dynamisch belastet. Zwangshaltungen und einseitige Körperbelastungen, die Ursache für viele Muskel- und Skelettkrankheiten sind und die zu arbeitsbedingten Ausfällen führen, werden hierdurch weitgehend vermieden. Die Kombination von Sitz- und Steharbeitsplätzen mit höhenverstellbaren Tischen und Stühlen sowie Ergonomie-Stehmatten sind Voraussetzung, damit der Mitarbeiter auch während der Arbeit gesund bleiben kann. Diese Arbeitsplatzkonfiguration, verbunden mit ergonomisch günstigen Arbeitsmitteln wie Hebehilfen und unterstützende Werkzeuge, führen insgesamt zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Montagearbeitsplätzen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Mitarbeiter. Eine informatorische Überforderung oder eine zu schnelle zeitliche Taklung führen nicht zuletzt zu psychischen Belastungen, die in der Gesamtbetrachtung des Arbeitssystems „Montagearbeitsplatz in der Produktion“ einzubeziehen sind. Mittels der Gefährdungsbeurteilung und arbeitswissenschaflichen Methoden lassen sich diese Belastungen reduzieren.

    Weitere Infos

    Für die Autoren

    Dipl.-Ing. André Itter

    Technische Hochschule

    Georg Agricola

    Herner Straße 45

    44787 Bochum

    andre.itter@thga.de

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen

    Tags