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Prävention durch Impfungen

Impfpräventable Infektionen – Daten und Fakten

Infektionsepidemiologische Daten belegen, dass die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Masern, Mumps, Röteln und Poliomyelitis in den Niederlanden im letzten Jahrhundert ca. 9000 Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen verhindert haben (van Wijhe et al. 2016). Maßgeblicher Endpunkt der niederländischen Studie waren die verlorenen Lebensjahre (YLL, Years of Life Lost) bis zum 20. Lebensjahr. Die Autoren gehen davon aus, dass durch obige Standardimpfungen insgesamt 148 000 YLL verhindert werden konnten (van Wijhe et al. 2016).

Daten aus den USA gehen von 103 Millionen verhinderten impfpräventablen Infektionen seit 1924 aus, allein in der letzten Dekade seien 26 Millionen Infektionen durch Impfungen verhindert worden (99 % der Infektionen, die ohne Impfungen aufgetreten wären; van Panhuis et al. 2013).

Doch trotz des Vorhandenseins von sicheren und effektiven Impfstoffen und der jahrzehntelangen Implementation von Impfprogrammen kommt es auch in Deutschland weiterhin zum Auftreten von impfpräventablen Infektionen.

Wenngleich in einer repräsentativen Forsa-Umfrage 83 % der befragten Erwachsenen Impfungen grundsätzlich positiv gegenüber standen, hatte fast jeder Dritte in den vergangenen Jahren Impfungen ausgelassen, obwohl es laut den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) an der Zeit dafür gewesen wäre.

Masern

Von besonderer Bedeutung sind Schutzimpfungen sowohl aus arbeitsmedizinischer als auch aus krankenhaushygienischer Sicht für die Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Medizinisches Personal hat aufgrund des Patientenkontakts und des Kontakts mit Patientenmaterialen eine erhöhte Infektionsgefährdung (Maltezou u. Poland 2016).

Bei Masern beispielsweise ist die Infektionsgefährdung des medizinischen Personals gegenüber der Normalbevölkerung bis zu 19fach erhöht. Insbesondere in Ländern, in denen die Maserninzidenz niedrig ist, spielt die nosokomiale Übertragung eine wichtige Rolle: Schätzungsweise 14–45 % der Masernfälle in Ländern, die die Masernelimination anstreben, sind nosokomial bedingt.

Deutschland hat sich wiederholt zu dem Maserneliminationsziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bekannt, hat die Elimination jedoch im Jahr 2015 erneut nicht erreicht. Im Gegenteil, Deutschland war 2015 so weit von der Ausrottung der Masern entfernt gewesen, wie lange nicht. Die insgesamt 2465 an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelten Masernfälle im Jahr 2015 waren ein herber Rückschlag für den Eliminierungsprozess. Deutschland stellte im Jahr 2015 – das Jahr in dem eigentlich die Elimination der Masern in Europa geplant war – über 60 % aller gemeldeten Masernfälle in der Europäischen Union. Eine Verbesserungstendenz hinsichtlich des angestrebten Eliminationsziels ist seit Jahren in Deutschland nicht erkennbar.

Die Masernelimination wird durch so genannte „WHO-Indikatoren“ bestimmt. Diese beschreiben messbare Zielgrößen (s. Infokasten 1).

Influenza

Während einer gewöhnlichen Influenzasaison infizieren sich ca. 5–20 % der Erwachsenen mit einem der zirkulierenden Influenzaviren. Im Gesundheitswesen sind davon bis zu 29 % des ungeimpften medizinischen Personals betroffen. Beschäftigte im Gesundheitswesen haben somit einerseits eine erhöhte Infektionsgefährdung und können andererseits hochkontagiöse Influenzaviren auf Patienten und Arbeitskollegen übertragen und so nosokomiale Influenzaausbrüche verursachen. Dies kann besonders bei immunsupprimierten Patienten zu schwerwiegenden Krankheitsverläufen und mitunter zu influenzabedingten Todesfällen führen. Dessen ungeachtet ist die Akzeptanz der Influenza-Impfung beim medizinischen Personal sowohl im nationalen als auch im internationalen Umfeld gering; man kann davon ausgehen, dass sich weniger als 30 % des medizinischen Personals in Deutschland gegen Influenza impfen lässt. Auffallend sind in diesem Kontext oftmals deutlich höhere Impfquoten bei Ärzten im Vergleich zu deutlich geringeren Impfquoten bei Pflegepersonal bzw. Assistenzpersonal. In einer aktuellen Erhebung an zwei deutschen Universitätskliniken zeigte sich einerseits eine niedrige Bereitschaft, an einer Online-Umfrage des RKIs teilzunehmen (Response-Rate: 21 %), und andererseits eine Impfquote bei den Teilnehmenden von unter 40 % (RKI 2016b).

Das Erreichen und Aufrechterhalten von adäquaten Impfquoten im empfohlenen Alter und im Hinblick auf die empfohlene Indikation (s. Infokasten 2) ist jedoch die Voraussetzung, um das Wiederauftreten impfpräventabler Infektionen und Ausbruchsgeschehen zu verhindern.

Das im Sommer 2015 beschlossene Präventionsgesetz sieht eine Förderung des Impfwesens vor: „Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, haben Anspruch auf eine Überprüfung des Impfstatus im Hinblick auf die Empfehlungen der STIKO“.

Auch Betriebsärzte sollen nach dem Präventionsgesetz Impfungen über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) abrechnen können, hierzu bedarf es aber einer Regelung z. B. durch entsprechende Rahmenverträge. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) arbeitet aktuell im Rahmen ihres Kooperationsvertrages mit der BARMER GEK an einem Vertrag zum Thema „Schutzimpfungen durch Betriebsärzte“ und steht dazu ebenfalls in Kontakt mit dem GKV-Spitzenverband.

Fazit

Deutschland muss etwas für die Erhöhung der Durchimpfungsquoten tun. Dabei geht es nicht zuletzt um den Schutz der „Unschützbaren“, insbesondere der jungen Säuglinge, Immunsupprimierten und Schwangeren.

Impfen ist vor dem Hintergrund der sog. Herdenimmunität auch eine soziale Entscheidung „Ich lasse mich impfen, um mich zu schützen – ich lasse mich aber auch impfen, um andere zu schützen.“ Die Arbeitsmedizin kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, um einerseits arbeitsbedingte Infektionen zu vermeiden und um andererseits eine Altersgruppe (junge, gesunde Erwachsene, die oftmals keine regelmäßigen Arztkontakte haben) im Rahmen der arbeitsmedizinischen Betreuung auf notwendige Impfungen anzusprechen.

Literatur

Maltezou H, Poland GA: Immunization of Health-Care Providers: Necessity and Public health Policies. Healthcare 2016; 4: E47

Robert Koch-Institut: Mitteilungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2016/2017. Epi Bull 2016a; 36: 301–338.

Robert Koch-Institut: Online-Befragung von Klinikpersonal zur Influenza-Impfung (OKaPII-Studie). Epi Bull 2016b; 47: 521–527.

Van Panhuis WG, Grefenstette J, Jung SY et al.: Contagious diseases in the United States from 1888 to the present. N Engl J Med 2013; 369: 2152–2158

Van Wijhe M, McDonald SA, de Melker HE, Postma MJ, Wallinga J: Effect of vaccination programmes on mortality burden among children and young adults in the Netherlands during the 20th century: a historical analysis. Lancet Infect Dis 2016; 16: 592–598.

    Info 1

    Eliminationskriterien

    • Zweimalige Masernimpfung bei  95 % der Bevölkerung
    • Maserninzidenz von
    • Die Masernelimination ist erreicht, wenn über einen Zeitraum von mindestens 36 Monaten eine endemische Transmission mithilfe hochwertiger Surveillance-Systeme ausgeschlossen werden kann.

    Da ein nicht unerheblicher Anteil der Masernpatienten auch außerhalb des Kindesalters auftritt, können Arbeitsmediziner sowohl mit dem Krankheitsbild der Masern konfrontiert werden als auch viel für angemessene Durchimpfungsquoten ihres Patientenkollektivs tun (gerade jungen Erwachsenen fehlt oftmals die zweite Masernimpfung).

    Info 2

    Kategorien von Impfungen (STIKO 2016)

    • S:Standardimpfung mit allgemeiner Anwendung
    • A:Auffrischimpfungen
    • I:Indikationsimpfungen für Risikogruppen bei individuell erhöhtem Expositions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko sowie zum Schutz Dritter
    • B:Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos und/oder zum Schutz Dritter im Rahmen der beruflichen Tätigkeit
    • R:Impfungen aufgrund von Reisen

    Autorin

    Prof. Dr. med. Sabine Wicker

    Universitätsklinikum Frankfurt

    Betriebsärztlicher Dienst

    Theodor-Stern-Kai 7

    60590 Frankfurt

    Sabine.Wicker@kgu.de

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