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Impfstatus bei Erziehern und Erzieherinnen in Ausbildung

Impfstatus bei Erziehern und Erzieherinnen in Ausbildung

Zielstellung: Für Erzieher und Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen, Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen für Kinder besteht ein Gefährdungspotenzial durch Infektionskrankheiten. In der vorliegenden Arbeit soll der Impfstatus von Erzieherinnen und Erziehern in Ausbildung erhoben und in diesem Setting Zielgruppen für Impfstrategien identifiziert werden.

Methode: Es wurden 58 Erzieher und Erzieherinnen einer Fachschule für Sozialwesen zu ihrem Gesundheitsverhalten, u. a. zu ihrem Impfstatus bzgl. ausgewählter Erkrankungen und ihrer Impfeinstellung befragt (Rücklaufquote 88 %). Statistisch wurden uni- und bivariate Analysen und eine logistische Regression eingesetzt. Das Signifikanzniveau wurde auf p < 0,05 festgesetzt, p < 0,1 zeigt einen statistischen Trend auf.

Ergebnisse: Die Durchimpfungsrate liegt bei Tetanus bei 60 %. Bei allen anderen abgefragten Impfungen sind zwischen 35 und 45 % der Teilnehmer nicht geimpft oder wissen nicht, ob sie geimpft sind. Der Impfstatus ist – in Abhängigkeit von der jeweiligen impfpräventablen Krankheit – von dem Vorliegen chronischer Erkrankungen und der Impfeinstellung abhängig.

Schlussfolgerungen: Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung verfügen nicht über einen vollständigen Impfschutz. Hier könnten mit Hilfe des Präventionsgesetzes Impflücken geschlossen werden. Wichtig scheint dabei aber ein zielgruppenorientiertes Vorgehen zu sein, das sich z. B. am Gesundheitszustand der zu Impfenden oder an deren Impfeinstellung ausrichten kann.

Schlüsselwörter: Kindertageseinrichtungen/Kindergärten – Infektionskrankheiten – Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung – Impfen – Durchimpfungsrate

Vaccination status of childcare workers in training

Aim: People who work in childcare centres, nurseries and other care facilities for children are at risk of infectious diseases. The aim of this work is to ascertain the vaccination status of childcare workers in training and identify target groups for vaccination campaigns in this setting.

Methods: Altogether 58 childcare workers at a vocational school for social welfare services were questioned about their health behaviour, including their vaccination status in relation to selected illnesses and their attitude towards vaccination (participation rate 88 %). Univariate and bivariate analyses and logistic regression analysis were used for statistical purposes: p<0.05 was defined as statistically significant and p<0.1 was defined as a statistical trend.

Results: At 60 %, vaccination coverage was best for tetanus. With regard to all the other vaccinations in the survey, 35-45% of the participants were either not vaccinated or did not know about their vaccination status. Depending on the respective vaccine-preventable disease, vaccination status depends on the presence of chronic illnesses and attitudes to vaccination.

Conclusion: Childcare workers in training are not sufficiently vaccinated. Immunisation gaps could be closed here with the help of the Prevention Act. At the same time, however, it seems important to use a target group-specific approach which can be directed at, for example, the health status of those to be vaccinated or at their attitudes towards vaccination.

Keywords: childcare centres – infectious diseases – vaccination – vaccination coverage

Jager A1

Ochsmann E1,2

(eingegangen am 01.12.2016, angenommen am 14.02.17)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2017; 52: 202–207

Einleitung und Ziele

Erzieherinnen und Erzieher in Kindertageseinrichtungen, Kindergärten und anderen Betreuungseinrichtungen für Kinder sind häufig aufgrund infektiöser Erkrankungen arbeitsunfähig (Slack-Smith et al. 2006). Studien aus den USA berichten am Beispiel der Influenza-Impfungen darüber, dass dennoch Impfempfehlungen von Erzieherinnen und Erziehern oft nicht umgesetzt werden, obwohl die Impfempfehlungen bekannt sind (Lee et al. 2008). Ein Interventionsansatz in den USA, der in Studien zu besseren Durchimpfungsraten führte, war die kostenlose Zur-Verfügung-Stellung der Impfung am Arbeitsplatz, eine Maßnahme, die so im Gesundheitssystem der USA nicht üblich ist.

Das im Jahr 2015 verabschiedete Präventionsgesetz verfolgt einen ähnlichen Ansatz und soll durch eine Reihe gesetzlicher (für Patienten/Mitarbeiter kostenfreier) Maßnahmen die Impfprävention fördern und stärken. So soll künftig der Impfschutz bei allen Routinegesundheitsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie den Jugendarbeitsschutzuntersuchungen überprüft werden und auch Betriebsärzte sollen allgemeine Schutzimpfungen vornehmen können (BMG 2016). Neben den direkten Schutzeffekten für den Einzelnen soll sich daraus zudem ein erhöhter Schutz der Bevölkerung und besonderer Schutzbefohlener im Sinne der Herdenimmunität ergeben. Neben diesen gesetzlichen Bestrebungen entspricht es auch den Erwartungen der Bevölkerung, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Kinderbetreuung geimpft sind, um die von ihnen betreuten Kinder nicht zu gefährden, wie von Tuckerman et al. (2016) in Australien am Beispiel von Pertussis und Influenza gezeigt wurde.

Inwieweit Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung in Deutschland über einen ausreichenden Impfschutz verfügen bzw. den Erwartungen der Bevölkerung hinsichtlich des Impfschutzes entsprechen, soll an einer Erhebung zum Impfstatus dieser Zielgruppe an einer Fachschule für Sozialwesen beleuchtet werden. Um den Impfschutz von Erzieherinnen und Erziehern zu verbessern, sollen darüber hinaus Hinweise für prädiktive Faktoren für umfassenden Impfschutz gefunden werden.

Konkret werden also folgende Fragen gestellt: Wie ist der Impfstatus bzw. das Wissen über den eigenen Impfstatus bei Erzieherinnen und Erziehern in Ausbildung? Gibt es besondere Zielgruppen, auf die bei präventiven Angeboten im Rahmen des Präventionsgesetzes besonders eingegangen werden sollte?

Kollektiv und Methode

Studienkollektiv

Insgesamt 58 Fachschüler der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung in einer Fachschule für Sozialwesen (dies entspricht allen drei Ausbildungsjahrgängen der ausgewählten Schule) wurden eingeladen, an einer schriftlichen Befragung mittels Fragebogen teilzunehmen. Obwohl die meisten Befragten weiblichen Geschlechts waren, wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit der Text im Folgenden in der männlichen Form weitergeführt.

Fragebogen

Die Befragung der Teilnehmer erfolgte mit einem standardisierten Fragebogen, der in ähnlicher Form bereits in anderen Studien Anwendung fand (Tracogna et al. 2003; Grünbeck et al. 2010) und Teile des Bielefelder Gesundheitssurveys (Stock et al. 1997) enthielt und für die vorliegende Studie angepasst und erweitert wurde. Der finale Fragebogen enthielt insgesamt 73 Fragen und war in sechs übergeordnete Bereiche gegliedert:

  • Soziodemografische Daten
  • Gesundheitszustand
  • Gesundheitsverhalten
  • Gesundheitsbewusstsein
  • Ausbildungs- und allgemeine Belastungen
  • Energie und psychisches Wohlbefinden

Soziodemografische Daten: Es wurden Daten zu Alter, Geschlecht, Familienstand, Kindern und Schulabschluss erhoben.

Gesundheitszustand: Die Teilnehmer wurden nach dem Vorliegen verschiedener, z.T. chronischer Krankheiten gefragt, z. B. „Liegt bei Ihnen ein Hypertonus vor?“. In der nachfolgenden Auswertung wurden ausgewählte chronische Krankheits- bzw. Beschwerdebilder berücksichtigt: Adipositas, Allergie, Asthma, Hypertonus, Neurodermitis, psychische Erkrankung (z. B. Depression), Tinnitus. Als Antwortmöglichkeiten waren vorgegeben: „nein“, „ja, aber keinen Arzt aufgesucht“ bzw. „ja, Arzt aufgesucht“. Die Antworten wurden dichotomisiert zu „nein“ und „ja“.

Impfstatus und Impfeinstellung: Für den Fragebogen wurden Impfungen ausgewählt, die entweder gemäß STIKO-Empfehlung als Standardimpfung (mit Auffrischung) empfohlen werden oder als Impfung im beruflichen Kontext einer Gemeinschaftseinrichtung aufgeführt sind (RKI 2016). Dazu gehören:

  • Standardimpfungen (mit Auffrischung): Diphtherie, Keuchhusten, Poliomyelitis, Tetanus.
  • Impfungen aufgrund beruflicher Tätigkeit: Hepatitis A, Masern, Mumps, Röteln, Varizellen.

Bei allen Impfungen wurde gefragt, ob die Impfung durchgeführt wurde (ggf. mit Auffrischung) oder nicht oder ob nicht bekannt ist, ob Impfschutz besteht. Darüber hinaus wurde die Impfeinstellung mit einer Einzelfrage: „Impfungen sind …“ „… absolut notwendig“, „… zum Teil notwendig“, „… meist nicht notwendig“, „… unnötig und gefährlich“ abgefragt.

Ethische Bemerkungen

Die Befragung, wie auch die Befragungsinhalte stehen im Einklang mit der Helsinki-Deklaration.

Pre-Test und Befragungsdurchführung

Vor der Durchführung der Befragung wurde der Fragebogen einem Pre-Test an einer Berufsschulklasse der Ausbildungsrichtung Gesundheits- und Krankenpflege einer medizinischen Berufsfachschule unterzogen und entsprechend der Ergebnisse überarbeitet. Die anonyme und freiwillige Befragung der Erzieher in Ausbildung wurde dann im November 2012 im Rahmen einer Unterrichtsstunde durchgeführt. Eine Untersucherin war während der Befragung vor Ort, so dass Fragen gleich vor Ort geklärt werden konnten. An der Befragung nahmen 51 Fachschüler teil. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 88 %.

Variablen

Für die spätere logistische Regression wurden zwei dichotome Ergebnisvariablen gebildet: Die Teilnehmer, die in allen Standardimpfungen wenigstens über eine Grundimmunisierung berichteten, wurden in einer Gruppe vereint und denjenigen gegenüber gestellt, die in allen Standardimpfungen keine Immunisierung vorwiesen oder den Status der Immunisierung nicht kannten („alle Standardimpfungen vorhanden“ vs. „keine Standardimpfung vorhanden oder Impfstatus nicht bekannt“). Auf die gleiche Art wurde eine Variable gebildet, die die Immunisierung im Sinne der beruflich empfohlenen Impfungen widerspiegeln sollte.

Weiterhin wurde die Variable „chronische Erkrankungen“ dichotomisiert in „ja, mind. eine chronische Krankheit vorhanden“ und „nein, keine chronische Krankheit vorhanden“, wobei mit chronischen Krankheiten, wie beschrieben, Adipositas, Allergie, Asthma, Hypertonus, Neurodermitis, psychische Erkrankung (z. B. Depression) oder Tinnitus gemeint waren.

Die Variablen Alter ( 30 Jahre, > 30 Jahre) und Kinder (nein, ja) wurden dichotomisiert.

Statistische Auswertung

Soziodemografische Charakteristika der Teilnehmer, die gesundheitliche Situation und der selbstberichtete Impfstatus wurden zunächst mittels Häufigkeitsanalysen ausgewertet.

In der bivariaten Analyse wurden Chi²-Tests oder Fischer-Exakt-Tests eingesetzt, um Auffälligkeiten in den Häufigkeitsverteilungen aufzudecken.

Für die kategoriale logistische Regression wurde jeweils ein Modell aus der abhängigen Variable „Standardimpfungen“ und „beruflich empfohlene Impfungen“ und folgenden unabhängigen Variablen gebildet: Alter ( 30 Jahre, > 30 Jahre), Kinder (nein, ja), mindestens eine chronische Krankheit (nein, ja), Impfeinstellung (absolut notwendig, zum Teil notwendig, meist nicht notwendig), um prädiktive Faktoren für einen positiven Impfstatus festzustellen und so Zielgruppen für Präventionsangebote zu identifizieren. Die Modellentwicklung basierte dabei auf Ergebnissen anderer Autoren, die z. B. unterschiedliche Motivationslagen hinsichtlich des Schutzes der Familie, insbesondere der eigenen Kinder (Corace et al. 2013; Harrison et al. 2016) und verschiedene Motivationen hinsichtlich der Impfung bei chronisch erkrankten Personen (Jiménez-Garcia et al. 2016) als Prädiktoren für das Impfverhalten beschreiben.

Als Signifikanzniveau für die statistischen Analysen wurde p 

Ergebnisse

Soziodemografische Angaben: Von den 51 Teilnehmern sind 21 Schüler im ersten Ausbildungsjahr (41,2 %), 18 im zweiten Ausbildungsjahr (35,3 %) und 12 (23,5 %) im dritten Ausbildungsjahr. Wie in dem Beruf üblich, war der Großteil der Teilnehmer weiblich (86 %). Die meisten Teilnehmer (n = 14; 27,5 %) ordneten sich in die Altersgruppe „älter als 30 Jahre“ ein. Insgesamt 55 % der Teilnehmer haben keine Kinder, die restlichen Teilnehmer haben mindestens ein Kind. Die meisten Teilnehmer sind verheiratet oder in einer festen Partnerschaft (63,0 %), knapp 20 % sind nicht in einer festen Partnerschaft. Hinsichtlich der Schulbildung konnten die meisten Teilnehmer einen Realschulabschluss vorweisen (80,4 %).

Gesundheitszustand: Etwa 31 % der Teilnehmer sind nicht von einer der abgefragten chronischen Erkrankungen (Adipositas, Allergie, Asthma, Hypertonie, Migräne, Neurodermitis, psychische Erkrankung, Tinnitus) betroffen, etwa 69 % leiden unter mindestens einer Erkrankung. Besonders häufig werden dabei Allergien (38 %), Migräne (30 %) und psychische Erkrankungen (26,5 %) genannt ( Tabelle 1).

Impfstatus: Die besten Ergebnisse bezüglich der Durchimpfungsrate lassen sich bei der „Standardimpfung“ Tetanus berichten. Hier geben etwa 60 % der zukünftigen Erzieher einen Impfschutz aus Grundimmunisierung und Auffrischungsimpfungen an ( Tabelle 2). Außerdem sind bei dieser Impfung die wenigsten „weiß nicht“ – Nennungen zu verzeichnen. Dagegen ist bei den anderen Impfungen festzuhalten, dass bei 35 – 45 % der Teilnehmer keine Impfung erfolgte oder sie ihren entsprechenden Impfstatus nicht kennen.

Impfeinstellung: 30 % der Teilnehmer halten Impfungen für absolut notwendig, 66 % für „zum Teil notwendig“ und 4 % für „nicht notwendig“. Kein Teilnehmer meldete zurück, dass Impfungen „unnötig und gefährlich“ sind.

Prädiktive Faktoren für einen positiven Impfstatus bei den „Standardimpfungen“: Bei den Standardimpfungen ( Tabellen 3 und 4) zeigt sich in der logistischen Regression (Nagelkerke’sches R² von 0,538), dass das „Vorliegen von mindestens einer chronischen Erkrankung“ die Wahrscheinlichkeit für einen (positiven) Impfstatus erhöht (s. Tabelle 4).

Prädiktive Faktoren für einen positiven Impfstatus bei den beruflich empfohlenen Impfungen: Für die beruflich empfohlenen Impfungen (s. Tabellen 3 und 4) kann in der logistischen Regression (Nagelkerke’sches R² von 0,558) festgestellt werden, dass Teilnehmer mit Kind(ern) tendenziell eine geringere Wahrscheinlichkeit für einen positiven Impfstatus haben (OR: 0,083; 95%KI: 0,007–1,011). Demgegenüber besteht bei Teilnehmern mit mindestens einer chronischen Erkrankung wiederum eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen beruflichen Impfschutz (OR: 27,868; 95%KI: 1,601–485,090). Die Schüler, die Impfen als weniger notwendig ansehen, haben auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen vollständigen beruflichen Impfschutz (OR: 0,025; 95%KI: 0,001–0,598; s. Tabelle 4).

Diskussion

Im vorliegenden Bericht wurde die Frage gestellt, wie es um den Impfstatus bzw. das Wissen über den eigenen Impfstatus bei Erziehern in Ausbildung bestellt ist. Die Ergebnisse der 51 Fachschüler in der Erzieherausbildung legen nahe, dass der Impfstatus oder zumindest die Kenntnisse über den eigenen Impfstatus als suboptimal einzustufen sind. Dieses Ergebnis passt zu anderen Studien aus dem Ausbildungsbereich. Eine Studie, die den Masern-Impfstatus von Studenten aus Dresden zum Gegenstand hatte, kommt zu dem Ergebnis, dass 65,5% der Medizinstudenten über einen kompletten Masern-Impfschutz berichteten. In anderen Fachbereichen (außer Medizin) lag diese Rate nur bei 25,3–39,4%. Zwischen 12,6% und 45,0% der teilnehmenden Studenten konnten überhaupt keine Angabe zu ihrem Impfstatus machen (Riemenschneider et al. 2015). Das Ergebnis der vorliegenden Befragung, in der 34,8% der Erzieher in Ausbildung keine Kenntnis über ihren Masern-Impfstatus haben, fügt sich in dieses Bild ein. Ähnliche Ergebnisse, wie sie hier erzielt wurden, zeigt auch eine Studie aus Österreich, in der Beschäftigte im Gesundheitswesen zu ihrem Impfstatus befragt wurden. Während für Erkrankungen wie Poliomyelitis und Tetanus gute Kenntnisse zum Impfstatus erhoben werden konnten, waren die Kenntnisse für andere Erkrankungen, wie z.B. Masern, Mumps und Röteln deutlich niedriger (Harrison et al. 2016). Im Hinblick auf Tetanus wurde auch in der vorliegenden Studienpopulation ein guter Kenntnisstand der Schüler erhoben, während 35–45% der Schüler bei allen anderen Impfungen entweder nicht geimpft oder nicht über ihren Impfstatus informiert waren.

Bei den abgefragten Impfungen wurde in der vorliegenden Auswertung nach STIKO-Empfehlung (RKI 2016) zwischen „Standardimpfung“ und für Erzieher „beruflich empfohlenen Impfung“ unterschieden, da Unterschiede im Kenntnisstand, in der Motivation und in möglichen prädiktiven Faktoren vermutet wurden. Diese Aufteilung wurde von den Autoren jedoch rein willkürlich vorgenommen und stützt sich nicht auf Ergebnisse anderer Studien. Die beiden neu geschaffenen Endpunkte („alle Standardimpfungen vorhanden vs. keine Standardimpfung bekannt/vorhanden“ und „alle beruflichen Impfungen vorhanden vs. keine berufliche Impfung bekannt/vorhanden“) wurden dann in einem kleinen Modell untersucht, um zu überprüfen, ob sich tatsächlich unterschiedliche prädiktive Faktoren für die beiden Endpunkte identifizieren lassen. Tatsächlich zeichnet sich ein Unterschied in den prädiktiven Faktoren hinsichtlich beider Endpunkte ab. Während ein positiver Impfstatus bei den „Standardimpfungen“ allein vom eigenen Gesundheitsstatus abhängt, scheinen bei den „beruflich empfohlenen Impfungen“ auch die Impfeinstellung und tendenziell auch das Vorhandensein von Kindern eine Rolle zu spielen. Entgegen der Erwartung, dass Kinder aufgrund eines Schutzbedürfnisses durch die Eltern zu einem positiven Effekt auf den Impfstatus der berufliche empfohlenen Impfungen beitragen, geben die Eltern seltener einen positiven Impfstatus an. Dies kann ggf. damit zusammenhängen, dass sie durch ihre Kinder die Kinderkrankheiten, vor denen die beruflichen Impfungen schützen sollen, „mitgemacht“und sich nicht weiter um Impfungen gekümmert haben. In der vorliegenden Fragebogenstudie war der Impfstatus nur ein Teilbereich des Gesamtfragebogens und es wurde nicht weiter nach bereits durchgemachten Infektionskrankheiten gefragt. In weiterführenden und spezifischeren Erhebungen sollte dieser Punkte daher natürlich genauer betrachtet werden.

Das Vorliegen chronischer Erkrankungen und der Einfluss dieses Faktors auf den Impfstatus wurden von anderen Autoren unterschiedlich bewertet. In der Arbeit von Jiménez-Garcia et al. (2016) wird beispielsweise ein Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer chronischen Lungenerkrankung bei Diabetikern und der Inanspruchnahme von Influenza-Impfangeboten berichtet. Demgegenüber konnte in der Studie von Toh et al. (2012) kein Zusammenhang zwischen der Impfbereitschaft von Beschäftigten im Gesundheitswesen und dem Vorliegen einer chronischen Erkrankung festgestellt werden, wobei hier vorwiegend Asthma, Hypertonus und Hyperlipidämie als chronische Erkrankungen vorlagen. Es kann also sein, dass die vorliegenden Ergebnisse kontextspezifisch aufgetreten sind und sich nicht auf andere Bereiche/Erkrankungen verallgemeinern lassen. Dafür sprechen auch die hier nicht dargestellten Einzelanalysen der Impfungen und der chronischen Erkrankungen, die andeuten, dass jede Impfung einer eigenen motivationalen Gesetzmäßigkeit folgen könnte. Dies legt den Schluss nahe, dass bei dem Versuch, Durchimpfungsraten der Bevölkerung zu verbessern, ein spezifischer Ansatz für jede impfpräventable Erkrankung sinnvoll sein kann. Diese weiterführende Interpretation ist jedoch aufgrund der geringen Fallzahl der vorliegenden Untersuchung, die sich auch in den z. T. sehr großen Konfidenzintervallen widerspiegelt, nur sehr vorsichtig zu treffen. Die Dichotomisierung der abhängigen Variable führt zwar zu einer besseren Trennschärfe für die gewählten Endpunkte, leider reduzierten sich im Zuge dieser Umkodierung aber auch die gültigen Fälle für die weitere statistische Analyse. Dies wurde im Sinne der Hypothesengenerierung im Kontext dieser Arbeit hingenommen. Für eine generalisierbare Aussage ist die vorliegende Fallzahl aber natürlich nicht ausreichend, auch muss sie im Kontext der gewählten statistischen Verfahren kritisch bewertet werden.

Dennoch konnte mit der vorliegenden Auswertung ein weiterer Hinweis dafür gefunden werden, dass für Präventionsbotschaften im Impfbereich ein „Maßschneidern“ notwendig sein kann. Besonders im Bereich der Aufklärung von Eltern bzgl. Masern-Impfungen wurde dieses Thema bereits von einigen anderen Autoren aufgegriffen (z. B. Gowda et al. 2013). Die erzielten Ergebnisse deuten darauf hin, dass dieses Vorgehen auch in anderen Impfszenarien notwendig und sinnvoll sein kann.

Schlussfolgerung

Die vorliegende Arbeit liefert Hinweise dafür, dass z. B. Personen mit chronischen Beschwerden eher geimpft bzw. besser über ihren Impfstatus informiert sind als „gesunde“ Personen. Um eine bessere Durchimpfung der Bevölkerung zu erreichen, wie z. B. im Präventionsgesetz angestrebt, sollten also – neben Risikogruppen – auch andere Zielgruppen, beispielsweise vorwiegend gesunde Menschen mit zugeschnittenen Botschaften hinsichtlich der Vorteile einer Impfung motiviert werden. Im Zuge der versuchten Masern-Eradikation wurden einige Arbeiten zu diesen zugeschnittenen Botschaften veröffentlicht. Die vorliegende Auswertung liefert Hinweise darauf, dass dieser Ansatz auch in der Debatte um die Erhöhung der Herdenimmunität anderer impfpräventabler Erkrankungen berücksichtigt werden sollte. Ein passendes Setting – gerade für die „beruflich empfohlenen Impfungen“ – könnte hier der Betrieb bzw. der Arbeitsplatz sein.

Literatur

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Für die Verfasser

Prof. Dr. med. Elke Ochsmann

Institut für Arbeitsmedizin

Universität zu Lübeck

Ratzburger Allee 160 – 23562 Lübeck

elke.ochsmann@uni-luebeck.de

Fußnoten

1 Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Westsächsische Hochschule Zwickau

2 Institut für Arbeitsmedizin, Universität zu Lübeck