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Einblick in die Schiffshygiene im weltweiten Kontext

Public Health in der Kreuzschifffahrt

Bedeutung der Kreuzfahrtindustrie

Die weltweite Kreuzfahrtindustrie erfreut sich im Gegensatz zu der seit vielen Jahren von der Schifffahrtskrise betroffen Handelsschifffahrt unverändert eines stetigen Wachstums, da die attraktiven Ausflugsziele immer mehr Gäste anziehen ( Abb. 1). Deutschland repräsentiert hinter den USA den zweitgrößten Kreuzfahrtmarkt weltweit. Während Ende des letzten Jahrzehnts ein Zuwachs der Passagierzahl bis zu fast 19 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen war, hatten im Jahr 2015 1,81 Mio. Passagiere in Deutschland eine Kreuzfahrt gebucht ( Abb. 2). Dieses entspricht immer noch einem Wachstum von 2,3 % gegenüber dem Vorjahr (1,77 Mio.; CLIA 2016). Auch für 2016 wird am Ende der Kreuzfahrtsaison ein weiterer Anstieg des Passagieraufkommens angenommen.

Unter den in Deutschland gebuchten Kreuzfahrtzielen waren die klassischen Sommerfahrtgebiete, wie Nord- und Ostsee sowie das Alljahresziel Mittelmeer, in den letzten drei Jahren am beliebtesten ( Abb. 3). Relativ gleich verteilt sind die Winterziele Atlantik/Kanaren, Nordamerika/Karibik und sonstige Fahrtgebiete (u. a. Asien).

Hygienevorschriften auf Kreuzfahrtschiffen

Angesichts des weltweiten Routings müssen Kreuzfahrtschiffe neben internationalen Hygiene- und Gesundheitsvorschriften, wie den International Health Regulations (IHR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und flaggenstaatlichen Auflagen, u. a. auch Hygieneregelungen in den einzelnen Ländern beachten, die sie anlaufen. Grundsätzlich gilt weltweit sowohl für Fracht- als auch für Kreuzfahrtschiffe, dass vor jedem Einlauf in einen Hafen mindestens 24 Stunden vorher eine Seegesundheitserklärung gemäß § 37 IHR an die zuständigen Behörden des jeweiligen Hafens zu senden ist. Bestandteil der Erklärung sind neben allgemeinen Angaben zum Schiff auch Angaben zum Gesundheitszustand der an Bord befindlichen Besatzungsmitglieder und Passagiere.

Darüber hinaus muss auf allen Schiffen weltweit gemäß § 39 IHR halbjährlich die Schiffshygiene an Bord durch die zuständigen Hafenärztlichen Dienste („Port Health Authorities“) zertifiziert werden. Grundlage hierfür bildet in Deutschland das Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV-Durchführungsgesetz) 2005. Dabei werden drei Möglichkeiten unterschieden:

  • Bescheinigung über die Befreiung von Schiffshygienemaßnahmen,
  • Bescheinigung über die Durchführung von Schiffshygienemaßnahmen sowie
  • Verlängerung von Schiffshygienebescheinigungen.

Wurden an Bord eines Schiffes im Rahmen der halbjährlichen Hygieneinspektion keine Mängel festgestellt, wird eine Bescheinigung über die Befreiung von Schiffshygienemaßnahmen ausgestellt. Falls doch Mängel aufgetreten sind, bekommt ein Schiff eine Bescheinigung über die Durchführung von Schiffshygienemaßnahmen und muss die Mängel bis spätestens zur nächsten Inspektion beseitigt haben. In bestimmten Gründen gibt es auch die Möglichkeit, Schiffshygienebescheinigungen für eine Dauer von 30 Tagen verlängern zu lassen (WHO 2005).

Neben den Seegesundheitserklärungen und Schiffshygienebescheinigungen haben einige Staaten bzw. Regionen eigene Schiffshygieneprogramme entwickelt. Sie gehen über die Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) deutlich hinaus. Das bekannteste Schiffshygieneprogramm ist das bereits seit den 1970er Jahren bestehende Vessel Sanitation Program (VSP) der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), die dem United States Public Health Service (USPHS) untergeordnet sind. Schiffe in US-Häfen werden durch die CDC unangekündigt inspiziert, wenn sie mehr als 13 Passagiere an Bord haben und auf ihrer Route Häfen – sowohl außerhalb als auch innerhalb der USA – anlaufen. Als Grundlage für die Inspektion dienen das Operation Manual sowie die Construction Guidelines des VSP 2011.

Die Ergebnisse dieser Hygieneinspektionen sind auf der Internetseite der CDC öffentlich einsehbar. Dazu werden für jedes inspizierte Kreuzfahrtschiff neben dem Datum der Inspektion auch die festgestellten Mängel und ein daraus resultierender Punktestand veröffentlicht. Jedes Schiff geht mit 100 Punkten in die Inspektion. Sollten keine Mängel festgestellt werden, bleibt das Ergebnis bei 100 Punkten. Bei Mängeln gibt es einen im Operation Manual der VSP 2011 festgelegten Punktekatalog, nach dem die Punkte abgezogen werden. Für so genannte „critical items“ werden gemäß dem Manual jeweils 3–5 Punkte abgezogen, für „non-critical items“ jeweils 1–2 Punkte. Bereits ab einer Zahl von 85 und weniger Punkten gilt die Inspektion als nicht bestanden (CDC 2011).

Ein ähnlich aufgebautes Schiffshygieneprogramm gibt es von der Public Health Agency in Kanada. Bei dem auch als „Canadian PH“ (Public Health) bezeichneten Programm sind die Ergebnisse der Inspektion ebenfalls im Internet öffentlich einsehbar. Unter den “cruise inspection scores” sind die Kreuzfahrtreedereien, ihre jeweiligen Schiffe sowie die Ergebnisse der letzten Inspektionen aufgelistet, allerdings nur die Punktezahl und nicht die Art der jeweiligen Mängel, die zu dem Punkteabzug geführt haben (Public Health Agency of Canada 2016).

In Europa gibt es mit SHIPSAN seit 2011 ebenfalls ein Schiffshygieneprogramm: „European manual for hygiene standards and communicable disease surveillance on passenger ships“ (SHIPSAN 2016). Der Fokus dieses Programms liegt sowohl auf Fähren als auch auf Kreuzfahrtschiffen. Das Programm, das seine Ursprünge in den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen in Athen im Jahre 2004 hat, wurde im Rahmen des EU SHIPSAN TRAINET Projekts erstellt. Neben den genannten Schiffshygieneprogrammen in den USA, Kanada und Europa sind noch weitere Programme in Brasilien (Agência Nacional de Vigilância Sanitária (ANVISA)) und in Australien (von der dortigen Landwirtschaftsbehörde) etabliert.

Public Health-relevante Bereiche in der Kreuzschifffahrt

Kreuzfahrtschiffe der neuesten Generationen haben mittlerweile bis zu 6000 Passagiere und 2000 Crewmitglieder an Bord. Obwohl die Schiffe für den europäischen Markt noch etwas kleiner sind, ist auch hier ein Trend zu immer größer werdenden Schiffen zu erkennen. Die oft als „schwimmende Städte“ bezeichneten Kreuzfahrtschiffe haben viele serviceorientierte Einrichtungen an Bord, die man auch an Land in Ortschaften mit mehreren Tausend Einwohnern findet: Lebensmittelzubereitung und -versorgung (z. B. Bäcker, Fleischer), Kinderbetreuung, medizinische Versorgung, Freizeiteinrichtungen (z. B. Schwimmbad, Sauna) usw. Jeder dieser Bereiche ist hygienerelevant und steht bei Inspektionen auf dem Prüfstand. Diese Vielfältigkeit der Bereiche spiegelt sich auch in den Schiffshygieneprogrammen wider. Ein Vergleich der Schwerpunkte vom US-amerikanischen VSP Operations Manual und dem europäischen SHIPSAN Manual zeigt, dass das SHIPSAN Manual und VSP leicht variieren ( Tabelle 1).

Die Anforderungen an die Schiffshygiene sind in den einzelnen Teilbereichen sehr genau und umfangreich beschrieben. Sie reichen z. B. in dem Bereich Trinkwasser von einzuhaltenden pH- und Chlorwerten über Vorgaben zur Bunkerung von Trinkwasser an Land (Lagerungsart der Trinkwasserschläuche an Land) sowie farblich markierten Trinkwasserleitungen an Bord.

Auch für Kinderbetreuungseinrichtungen gibt es zahlreiche Vorschriften: Vor dem Eingang sollten die Symptome von Kinderkrankheiten sowie die Ausschlusskriterien zur Nutzung der Einrichtung (z. B. Kinderkrankheiten) ausgehängt sein. Weiterhin sollte nur leicht zu reinigendes Kinderspielzeug genutzt und das benutzte Spielzeug täglich bzw. ein Bällebad wöchentlich gereinigt und desinfiziert werden. Die Nachweisführung erfolgt über Reinigungs- und Desinfektionspläne, die an Bord vorzuhalten sind.

Bei der Lebensmittellagerung in den Galleys und Bars müssen neben Temperaturvorgaben auch Lagervorschriften (Abdeckung und Beschriftung aller Lebensmittel) eingehalten werden.

Die Inspektion dieser vielen Bereiche hat umfangreiche Kontrollen an Bord zur Folge. Gemäß den CDC gibt es fünf Bereiche, bei denen in Inspektionen auf den Schiffen oft Abweichungen gefunden werden: Disease Reporting, Trinkwasser, Freizeitbäder und Whirlpools, Lebensmittelsicherheit und Fachwissen aus persönlichen Interviews (CDC 2016).

Diese Auflistung der immer wieder auftretenden Abweichungen zeigt, wie wichtig die Schulung und Sensibilisierung der multikulturellen Besatzungen in punkto Schiffshygiene ist. Die Herausforderung dabei ist einerseits, die weltweit geltenden Schiffshygienebestimmungen zu kennen und einzuhalten, und andererseits die ständig wechselnden Besatzungsmitglieder an Bord mit kulturell unterschiedlichen Hygieneerfahrungen dementsprechend zu schulen. Nur so ist die Einhaltung der hohen Hygienestandards in den vielen unterschiedlichen Bereichen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes unter Berücksichtigung nationaler und regionaler Besonderheiten möglich.

Literatur

Centers for Disease Control and Prevention (CDC): Vessel Sanitation Program. 2011 Operations Manual. Atlanta, Fort Lauderdale: CDC, 2011.

SHIPSAN: Manual European Manual for Hygiene Standards and Communicable Disease Surveillance on Passenger Ships. Larissa: SHIPSAN 2016.

World Health Organization (WHO): International Health Regulations 2005. Genf: World Health Organization, 2011.

    Weitere Infos

    Cruise Line International Association (CLIA): Deutsche Kreuzfahrtbranche wächst auf mehr als 1,8 Mio. Passagiere

    www.cliadeutschland.de/presse/Deutsche-Kreuzfahrtbranche-waechst-auf-mehr-als-18-Mio.-Passagi-38?pid=23

    Centers for Disease Control (CDC): Vessel Sanitation Program. Variances by section

    https://wwwn.cdc.gov/InspectionQueryTool/VariancesSectionVessels.aspx

    Public Health Agency of Canada: Travel Health. Cruise ship inspection scores by company

    healthspace.ca/clients/hc-sc/whpsp/whpsp_phb_website.nsf/Ship-CityList?Open View &Count=1000

    Für die Autoren

    Dipl.-Ing. Britta Schulz

    Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM)

    AG Schifffahrtsmedizin

    Seewartenstraße 10

    20459 Hamburg

    britta.schulz@bgv.hamburg.de