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Arbeit und Gesundheit bei Berufskraftfahrern

Einleitung

Anforderungen an die Arbeits- und Gesundheitsbedingungen bei Berufskraftfahrern sind sehr vielfältig (Greenfield et al. 2016). So sind Berufskraftfahrer einem erhöhten Risiko für Verkehrsunfälle ausgesetzt. Müdigkeit und belastende Verkehrsbedingungen, Termindruck, sitzende Tätigkeit, schwere körperliche Arbeit im Umgang mit der Ladung, aber auch Kundenkontakt oder insbesondere die Verantwortung für die Ladung fordern den Fahrer am Arbeitsplatz „Straße“. Durch Befragungen im Betrieb und direkt auf der Straße sowie der dortigen Durchführung einer Schläfrigkeitsmessung sollten Bedingungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes erhoben werden. Diese Befunde sollten die vom Staatlichen Arbeitsschutz erhobenen Arbeitsschutzmängel in Speditionen und auf der Straße aus arbeitsmedizinischer Sicht komplettieren.

Methoden

Auf der Basis von Speditionsrevisionen des Staatlichen Arbeitsschutzes mit standardisierten Befragungen (Unternehmer als auch Fahrer) zum betrieblichen Arbeitsschutz, Disposition und Arbeitszeitregelungen sowie Überprüfungen der Lenk- und Ruhezeiten wurden im Anschluss daran Straßenkontrollen gemeinsam mit der Polizei und dem Bundesamt für Güterverkehr durchgeführt. Auf Autobahnraststätten führte der Landesgewerbearzt Hessen eine standardisierte Befragung zur subjektiven Einschätzung der Arbeits- und Gesundheitsbedingungen mit Hilfe des Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) durch. Ferner wurde die Schläfrigkeit mit Hilfe von Pupillometriemessungen objektiviert. In Speditionen nahmen 51 Arbeitgeber und 137 Fahrer teil. Auf der Straße wurden im Rahmen von fünf großen Straßenkontrollen alle überprüften Fahrer angesprochen, ob sie an einer freiwilligen Befragung und Müdigkeitsmessung teilnehmen wollen. Diese wurden im Untersuchungsanhänger des Landesgewerbearztes durchgeführt. Insgesamt wurden 20 LKW-Fahrer befragt und untersucht. Etwa die dreifache Anzahl von Fahrern wurden um Teilnahme gebeten (Teilnahmequote ca. 30 %). Die Teilnehmer erhielten eine Aufwandsentschädigung von 50 Euro.

Die begangenen Speditionen waren in ganz Hessen verteilt und sind vom Staatlichen Arbeitsschutz wegen bekannter Mängel ausgesucht worden. Die auf Autobahnraststätten kontrollierten und interviewten LKW-Fahrer, die im Rahmen einer Straßenkontrolle von der Polizei zufällig aus dem fließenden Verkehr gezogen worden waren, hatten keinen Bezug zu den kontrollierten Speditionen.

Ergebnisse

In 70 % der Speditionen wurden die notwendigen Unterweisungen durchgeführt. 80 % konnten eine Gefährdungsbeurteilung verlegen, wobei die Qualität (z. B. Anzahl der Gefährdungen, durchgeführte Maßnahmen) und der Umfang sehr unterschiedlich und für verbesserungswürdig angesehen wurden. Die begangenen Betriebe waren kleinere Speditionen. Ungefähr die Hälfte besaß bis zu 10 LKW (zulässige Gesamtmasse über 7,5 t). In 13,9 % der begangenen Betriebe waren in den letzten 2 Jahren Verkehrsunfälle aufgetreten.

96 % der Speditionen wurden von einem Betriebsarzt und einer Fachkraft für Arbeitsschutz betreut. Allerdings kannte jeder zweite Beschäftigte seinen Betriebsarzt nicht. Dazu konnten erhebliche Mängel in der Umsetzung der arbeitsmedizinischen Vorsorge aufgezeigt werden. Sucht, Nacht- und Schichtarbeit sowie schweres Heben und Tragen waren die häufigsten Anlässe, weshalb ein Betriebsarztbesuch stattfand (in  Abb. 1 Kategorie „ja“). Sehr häufig fehlten aber gerade zu diesen Anlässen die notwendigen betriebsärztlichen Kontakte (in Abb. 1 „nein“).

Als belastend wurden von den beschäftigten Fahrern besonders Schichtarbeit, Ladungsverantwortung und Kundenkontakt empfunden ( Abb. 2).

Arbeitgeber hingegen schätzten eher die Daueraufmerksamkeit, Verkehrsbehinderung und die Ladungsverantwortung als belastend für die Fahrertätigkeit ein.

Auf der Autobahnraststätte willigte der überwiegende Teil der überprüften Fahrer nicht ein, an der pupillometrischen Messung teilzunehmen. Dies ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass bei fast allen Fahrern Mängel festgestellt und sogar Bußgelder verhängt wurden. Darüber hinaus bestand nach Aussage vieler Fahrer „wie immer“ ein großer Zeitmangel. Bei 30 % der Untersuchten wurde eine Schläfrigkeit festgestellt. Ein Fahrer war während der Pupillometrie fest eingeschlafen. Nach einer Schlafpause, Beratung und Kaffee ging für alle Fahrer die Fahrt weiter.

Im Rahmen der standardisierten Fragebogenerhebung gaben die Berufskraftfahrer an, dass sie als besonders gesundheitsbelastend die unregelmäßigen Mahlzeiten, einseitige Ernährung sowie Bewegungsmangel und mangelnder Freizeitausgleich empfanden. Weniger als die Hälfte aller Fahrer konnte einem Hobby/einer Freizeitbeschäftigung nachgehen. Angaben zu Drogen- und Aufputschmittelkonsum wurden überwiegend nicht gemacht. Die meisten meinten, dass ihre eigene Gesundheit als gut zu bewerten sei.

Die durch Befragung mit dem COPSOQ-Fragebogen erhobenen psychischen Belastungen ergaben für die Fahrer drei Belastungsbereiche:

Emotionen zu verbergen oder durch soziale Beziehung in eine Mobbingsituation zu kommen wurde, wie auch die Arbeitsplatzunsicherheit oder der Gedanke an Berufsaufgabe, nicht als hohe Belastung angesehen. Allerdings waren andererseits soziale Beziehungen und ein Feedback vom Arbeitgeber auch nur gering vorhanden.

Als eine mittlere Belastung wurden die emotionalen und quantitativen Anforderungen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Führungsqualität und die Vorhersehbarkeit die Arbeitsaufgaben angesehen. Aber auch Rollenkonflikte, mangelnde soziale Unterstützung und geringer Einfluss bei der Arbeit wirkten belastend.

Die bedeutendsten Faktoren waren ein großer Entscheidungsspielraum, die Bedeutung der Arbeit für den Fahrer und die damit große Verbundenheit mit dem Arbeitsplatz. Daraus resultierte eine große Arbeits- und Lebenszufriedenheit.

Standardisierte Fragen zu Arbeitssituation ergaben, dass es als belastend angesehen wurde,

  • dass Touren nicht immer fest geplant waren,
  • dass Auftragsänderungen störten,
  • dass der Umgang mit Kunden schwierig war und lange Wartezeiten (Verladen, Straßenverhältnisse, Krankheitsfall) einen zeitlichen Stressor verursachten.

Zu kurzfristige Tourenplanung mit unzureichenden Zeitpuffer und Überschreitung der Arbeitszeitvorschriften wären belastende Folgen.

Schlussfolgerung und Diskussion

Berufskraftfahrer haben erhebliche Gesundheitsgefährdungen und sind durch ihre verschiedenen Arbeitsplätze in der Spedition, auf der Straße und beim Kunden unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Ähnliche Arbeitsbedingungen finden sich im öffentlichen Nahverkehr bei Busfahrern (Petereit-Haack et al. 2015). Mängel im Arbeits- und Gesundheitsschutz fordern verstärkte Überwachung durch die Arbeitsschutzbehörden. Insbesondere deshalb, weil zum einen die Berufsfahrer unter diesen mangelhaften Arbeitsbedingungen belastet sind, zum andern dadurch Unfälle auf Autobahnen zunehmen und somit auch die Allgemeinbevölkerung darunter leidet. Allein im Bundesland Hessen werden jährlich ca. 2,5 Mio. Euro durch Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder von Speditionen und Busunternehmen eingenommen. Man kann bei mehr als 6000 Verfahren pro Jahr mit über 20 000 Tatbeständen und jeweils ca. 3 Einzelverstößen hoch gerechnet (bei einer Kontrollquote von ca. 5 %) von 1,2 Mio. Verstößen (Lenkzeitüberschreitung, Lenkzeitunterbrechung, Pausenverstößen, Formalverstößen) jährlich in Hessen ausgehen (Walter 2016).

Neben der Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (u. a. verbesserte Kommunikation und Tourenplanung, verbessertem Zeitmanagement und kollegialen Absprachen), sollten auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (Ernährung, Vereinbarkeit von Familie und/oder Hobby und Beruf) umgesetzt werden.

Literatur

Greenfield R, Busink E, Wong CP, Riboli-Sasco E, Greenfield G, Majeed A, Car J, Wark PA: Truck drivers‘ perceptions on wearable devices and health promotion: a qualitative study, BMC Public Health 2016; 16: 677.

Walz M, Hagen R, Prummer K: Pupillometrische Untersuchungen auf Schläfrigkeit bei Berufskraftfahrern. Zbl Arbeitsmed 2007; 57: 349–364.

Petereit-Haack G, Hirt J, Bolm-Audorff U: Psychische Arbeitsbelastungen und Herz-Kreislauf-Risikofaktoren bei Busfahrern im öffentlichen Nahverkehr. Zbl Arbeitsmed 2015; 65: 328–3-33.

Walter, Volker: mündliche Auskunft am 20.12. 2106, Dezernatsleiter und Leiter der Zentralen Ahndungsstelle (ZAS), RP Gießen Arbeitsschutzdezernat, Standort Hadamar.

    Weitere Infos

    Flake C: Arbeitsbedingungen von LKW-Fahrern im Güterverkehr. In: Hessisches Sozialministerium (Hrsg.): Jahresbericht 2010 der Hessischen Arbeitsschutzverwaltung

    www.sozialnetz.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaaaagkfd

    Deutsche Standard-Version des COPSOQ (Copenhagen Psychosocial Questionnaire)

    https://www.copsoq.de/assets/COPSOQ-Standard-Fragebogen-FFAW.pdf

    Für die Autoren

    Dr. med. Gabriela Petereit-Haack MPH

    Landesgewerbearzt Hessen

    Regierungspräsidium Darmstadt

    Abteilung Arbeitsschutz und Umwelt

    Simone-Veil-Str. 5

    65197 Wiesbaden

    gabriela.petereit-haack@rpda.hessen.de

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