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Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Pflege — eine Regionalanalyse

Betriebliches Gesundheitsmanagement in der Pflege – eine Regionalanalyse

Einleitung: Aufgrund der nun alt werdenden geburtenstarken Jahrgänge und der abnehmenden Erwerbsbevölkerung ist die Versorgung mit Pflegedienstleistungen gleich doppelt unter Druck. Nach einer Prognos-Studie (2012) steigt der Bedarf an Pflegekräften im Vergleich zu 2009 bis 2020 um 36 % an und bis 2030 erneut um 26 %.

Methode: Vor diesem Hintergrund wurde in 2016 eine schriftliche Befragung unter allen Einrichtungen der Altenhilfe im Münsterland durchgeführt und der Stand bei der Einführung und Umsetzung von Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung/des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGF/BGM) erhoben. Von 528 angeschriebenen Pflegediensten haben 108 (20 %) den ausgefüllten Fragebogen im vorfrankierten Rückumschlag zurückgesendet. Im vorliegenden Artikel wurden die Daten insbesondere im Hinblick auf die Netzwerkgängigkeit der Einrichtungen und ihres Betrieblichen Gesundheitsmanagements hin untersucht.

Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass zwar mehr als die Hälfte der teilnehmenden Pflegeeinrichtungen bereits Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung anbieten, die Mehrzahl jedoch externe Unterstützung benötigt.

Schlussfolgerung: Die Interpretation der Ergebnisse lässt die grundsätzliche Aussage zu, dass eine stärkere Vernetzung bzw. einrichtungsübergreifende Zusammenarbeit im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements Handlungsspielräume eröffnen kann. Jedoch stellt sich für Unternehmen die Herausforderung, wenig zu kontrollierende Aktionsräume, Netzwerke und Mitarbeitergesundheit als strategische Größe in die Unternehmenspolitik aufzunehmen.

Schlüsselwörter: Pflege – Prävention – Altenhilfe – Gesundheitsförderung – BGM/BGF

Occupational health and safety management in the care sector – a regional analysis

Introduction: The increasing gap between the large ageing population and the declining working-age population means that the care sector is facing pressure on two fronts. A Prognos study (2012) predicts a rise in demand for nurses of 36% by 2020 compared to 2009 and another rise of 26% by 2030.

Method: In light of this situation, a written questionnaire was conducted in all elderly support facilities in the Münsterland area in 2006 to survey levels of progress in the introduction and implementation of workplace health promotion/workplace health management (WHP/WHM). Of the 528 care services contacted, 108 (20%) sent back the completed form in a post-paid envelope. The data have been analysed in this article with a particular focus on the networking options of the facilities concerned and their workplace health management systems.

Results: The results show that more than half of the participating facilities already take measures to promote health in the workplace, but that the majority of them need external support.

Conclusion: An interpretation of the findings allows a basic statement to be made that a higher level of networking and cooperation across the facilities within the framework of workplace health management may open up more scope for action. Areas for action, networks and employee health are hard to monitor, however, so the challenge facing companies is to incorporate suitable strategies into corporate policy.

Keywords: care – prevention – elderly support – health promotion – WHM/WHP

J. Rövekamp-Wattendorf1

K.T. Heckes2

J. Technau3

(eingegangen am 09.03.2018, angenommen am 27.08.2018)

Einleitung

Aufgrund der nun alt werdenden geburtenstarken Jahrgänge und der abnehmenden Erwerbsbevölkerung ist die Versorgung mit Pflegedienstleistungen gleich doppelt unter Druck. Nach einer Prognos-Studie (2012) steigt der Bedarf an Pflegekräften im Vergleich zu 2009 bis 2020 um 36 % an und bis 2030 erneut um 26 %. Die Studie geht davon aus, dass schon 2020 rechnerische 378.000 Pflegepersonen bundesweit fehlen. Dies betrifft auch das Münsterland. Beispielsweise weist der Demografiebericht 2015 des Kreises Steinfurt einen Anstieg der über 67-Jährigen im Kreis von 17 % im Jahr 2013 auf 23,2 % der Gesamtbevölkerung aus. Bis 2040 wird er danach bei über 30 % liegen. Das entspricht einer Zunahme der älteren Bevölkerung von 2013 bis 2040 um 68 % bei den über 67-Jährigen und sogar um 93 % bei den über 80-Jährigen. Nach Kliner et al. (2017) steigt ab dem 80. Lebensjahr die Pflegewahrscheinlichkeit rapide an, ab dem 85. Lebensjahr liegt sie für Frauen, deren Lebenserwartung höher ist und die daher anteilig den Großteil der über 85-Jährigen stellen, bei knapp 50 %. Gleichzeitig haben Beschäftigte in der Altenpflege mit durchschnittlich 24,1 AU-Tagen acht AU-Tage pro Jahr mehr als der Durchschnitt aller Beschäftigten insgesamt (16,1 AU-Tage je Beschäftigten). Dabei fallen die Fehlzeiten pro AU-Fall in der Altenpflege im Mittel mit 15,6 AU-Tagen deutlich höher aus als bei den Beschäftigten insgesamt (11,7 AU-Tage je Fall (Kliner et al. 2017). Die unzureichende Einhaltung von Qualitätsstandards kann die Folge sein. Zudem entwickeln sich unwirtschaftliche Prozesse innerhalb der Pflege. Die interdisziplinären, sektorenübergreifenden Dienstleistungen nehmen stetig zu und damit die Komplexität der Zusammenarbeit. Der Ansatz der ganzheitlichen Patientenversorgung tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Demotivation auf Seiten der Pflegemitarbeiter und Unzufriedenheit auf Seiten der Kunden sind das Ergebnis.

Nach Hackmann (2009) liegt die unterschiedliche Verweildauer von Pflegekräften in ihrem Beruf bei gerade einmal acht Jahren. Auch wenn eine Studie zu Berufsverläufen in der Altenpflege des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt zu deutlich besseren Ergebnissen von durchschnittlich 19 Jahren kommt (IWAK 2009), ist die Diagnose doch klar: Pflegearbeit wird in der Regel von Personen erbracht, die einem hohen individuellen Arbeitsethos folgen, jedoch aufgrund der durchökonomisierten Rationalisierungsprozesse den Beruf häufig verlassen. Dies legen Studien zu Berufsrückkehrern in der Pflege nahe (Flieder 2002; Blum et al. 2004).

Als maßgebliche Größen erfolgreicher Leitung von Altenhilfeeinrichtungen determinieren Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter ihren Erfolg. Neben Arbeitsschutz und Unfallverhütung gilt Gesundheitsmanagement als ein primärer Faktor, um diese beiden Wirksamkeiten der Beschäftigten sicherzustellen. Zu wesentlichen Bereichen des Arbeitsschutzes zählen neben dem personenbezogenen Aufgabenbereich, wie etwa die Arbeitsplatzgestaltung für Pflegekräfte, auch arbeitsbezogene Obliegenheiten, wie etwa die Länge der Arbeitszeit. Gefahr bringende Bedingungen fallen in den Bereich der Unfallverhütung. Überforderung und Stress von Mitarbeitern begünstigen bei schlechter Arbeitsorganisation auf Wohnbereichen oder Stationen die Entstehung von Arbeitsunfällen. Laut DAK-BGW Gesundheitsreport 2006 (Grabbe 2006) gelten diese personenbezogenen Faktoren als häufigste Unfallursache. Neben der Eigenverantwortung für die Gesundheit obliegt es dem Arbeitgeber, hier zu handeln und das bedeutet auch, Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements vorzuhalten. Schon seit vielen Jahren weisen Autoren wie Lausch (2018) oder Göpel (2008) auf die Erfordernis der Stärkung der psychischen, physischen und sozialen Kompetenzen, das Elaborat von Arbeitsbedingungen sowie den Ausbau der Mitarbeiterbeteiligung hin. Burisch setzt sich im Rahmen von organisationspsychologischer Stressforschung mit den Folgen von Rollenunklarheiten in Organisationen auseinander. Er konstatiert: „Es ist auch die ausgesprochene oder unausgesprochene Politik vieler Organisationen, ihre Mitglieder nur eben so viel wissen zu lassen, wie zur Ausübung ihrer Funktion unbedingt nötig ist“ (Burisch 2014, S. 86). Instrumente wie etwa regelhafte Mitarbeitergespräche werden vom Autor an dieser Stelle als erfolgreiche Maßnahme empfohlen, wenn sie gegen Rollenstress und Burnout wirken.

Inwiefern Organisationen dazu kooperieren sollten, BGM zu implementieren und den Folgen der Arbeitsbelastungen entgegenzuwirken, ist die zentrale Fragestellung der vorliegenden Studie. Die These der Autoren ist, dass eine geschickte Vernetzung der Aktivitäten den Einrichtungen Kontingente eröffnet. Der Kontingenzbegriff umfasst also alle Beziehungsalternativen der Einrichtungen und Chancen der Abstimmung, die derzeit nicht aktualisiert werden. So vermuten sie: „Mit Netzwerken wird die Hoffnung verbunden, gemeinsam neue, innovative Wege und Foren zu gestalten“ sei eine „lohnenswerte Perspektive“ (Rövekamp-Wattendorf et al. 2018, S. 187). Um den Stand der Gesundheitsförderung in den einzelnen Einrichtungen zu erheben, gilt die Befragung der Leitungen nach den vorgehaltenen Maßnahmen, den Bedarfen, Erfahrungen und Kooperationserfahrungen als nutzbringendes Instrument. Im Rahmen einer Umfrage unter 528 Einrichtungen der Altenhilfe im Münsterland mit 108 Rückläufen, die 20 % der befragten Gruppe repräsentieren, wurde mittels eines entwickelten Fragebogens durch eine quantitative Studie das Angebot des betrieblichen Gesundheitsmanagements der Teilnehmenden erhoben. Im vorliegenden Artikel wurden die gewonnenen Daten insbesondere im Hinblick auf die Netzwerkgängigkeit der Einrichtungen und ihres betrieblichen Gesundheitsmanagements hin untersucht. Die Ergebnisse werden zeigen, welche Maßnahmen ein Großteil der teilnehmenden Pflegeeinrichtungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung anbieten, jedoch ebenso, inwiefern die Befragten sich eine externe Unterstützung bei der Implementierung wünschen.

Methodik

In einer schriftlichen Befragung aller 528 Altenhilfeeinrichtungen im Münsterland wurden im April/Mai 2016 Daten darüber erhoben, welche Einrichtungen Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung bzw. des betrieblichen Gesundheitsmanagements durchführen. Darüber hinaus wurden die Leitungskräfte, an die der Fragebogen gerichtet war, zu ihrer Motivation für die Implementierung und zu dabei erfahrenen Schwierigkeiten befragt. Der Fragebogen wurde unter Mitwirkung der FH Bielefeld und der FH Münster in der Geschäftsstelle des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V. entwickelt und postalisch mit einem frankierten Rückumschlag versandt. Die Einrichtungen hatten drei Wochen Zeit zu antworten. Die Daten wurden in einer Exceltabelle anonymisiert kodiert. Dem Fragebogen lag ein Anschreiben bei, in dem die Motivation der Erhebung erklärt wurde.

Insgesamt wurden 108 Rückläufer registriert, was einer Beteiligung von 20,45 % entspricht. Der Fragebogen enthält 15 Items. Neben der Größe der Einrichtung, der regionalen Verortung und dem jeweiligen Angebotsschwerpunkt (Fragen 1–5) wird bereits mit der Frage 6 die Einschätzung der Leitungskraft hinsichtlich der Auswirkungen krankheitsbedingter Fehlzeiten mit Blick auf Dienstplangestaltung sowie Stellenbesetzung abgefragt. In den folgenden 4 Fragen werden die bereits durchgeführten Maßnahmen der Gesundheitsförderung (BGF) sowie die Themenfelder des Gesundheitsmanagements (BGM) erhoben, bevor die Analyseinstrumente der Bedarfsermittlung abgefragt werden. Die nächste Frage erfasst die Nutzung externer Unterstützungsmaßnahmen von der Analyse bis zur Evaluation. Das folgende Item bezieht sich auf Erfahrungswerte bei der Implementierung im BGM-Prozess. Der Fragebogen schließt mit einer Bedarfsabfrage nach mehr Informationen oder Begleitung für die BGM-Implementierung.

Ergebnisse

57 % (62) aller an der Umfrage teilnehmenden Einrichtungen geben an, im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung aktiv zu sein. Dies gilt insbesondere für größere Einrichtungen mit mehr als 150 Mitarbeitern, die in sämtlichen Fällen Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) durchführen ( Tabelle 1). Die in 42 % der Organisationen am häufigsten angebotene BGF-Maßnahme ist das Bewegungsangebot für die Mitarbeiter. Immerhin noch 37 % der Einrichtungen betätigen sich im Bereich der Gesundheitsvorsorge. Der Schwerpunkt der Angebote ist jedoch auch wiederum von der Trägerschaft abhängig. Bei den freigemeinnützigen Einrichtungen werden in überdurchschnittlich vielen Fällen (53 %) der Fälle BGF-Maßnahmen im Bereich der Bewegungsangebote und in 54 % der Fälle Vorsorgeangebote vorgehalten. Bei den privaten Anbietern ist das Angebot hingegen deutlich kleiner: Hier führen die Bewegungsangebote mit 30 %. Nur 16 % geben an, auch im Bereich der betrieblichen Gesundheitsvorsorge aktiv zu sein. Auch im Gesamten werden in 73 % der freigemeinnützigen Einrichtungen Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung angeboten, im privaten Bereich sind es hingegen nur 36 % der Teilnehmenden.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage, ob die BGF-Maßnahmen Teil eines strategischen betrieblichen Gesundheitsmanagements sind. Dies beantworten immerhin 49 % der freigemeinnützigen Einrichtungen mit „Ja“, wohingegen dies nur 20 % bei den privaten Anbietern angeben. Bei Letzteren ist mit 14 % übrigens die Quote derjenigen höher, die die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements planen (freigemeinnützig: 8 %). Dies signalisiert möglicherweise einen erkannten Nachholbedarf.

Bei der Abfrage nach bereits vorhandener Aktivität im BGM wurden den Befragten elf Themenfelder angeboten, aus denen die Einrichtungen angeben konnten, in welchen Bereichen sie bereits Aktivität zeigen. Mit 43 % am häufigsten wurden Maßnahmen des Arbeitsschutzes angegeben, gefolgt von dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (35 %). Beide Maßnahmen haben einen klar umrissenen gesetzlichen Rahmen. Bei den nicht gesetzlich verankerten Maßnahmen stand mit 29 % die Verbesserung des Betriebsklimas im Vordergrund, gefolgt vom Führungsverhalten (28 %) sowie Maßnahmen im Bereich der Arbeitszeit und der Arbeitsabläufe (jeweils 25 %). In allen Bereichen liegen die freigemeinnützigen Träger vor den privatgewerblichen.

Regionale Verteilung: In den Fragebögen wurde die Zugehörigkeit der Einrichtungen zu den Landkreisen Borken, Coesfeld, Warendorf und Steinfurt sowie der Stadt Münster abgefragt. Hier zeigen sich keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Angebote wie beim Vergleich der Trägerschaft: 107 teilnehmende Einrichtungen machten Angaben zur regionalen Zugehörigkeit. 18 % kamen aus der Stadt Münster, 24 % aus dem Kreis Borken, 20 % aus dem Kreis Coesfeld, 21 % aus dem Kreis Steinfurt und 17 % aus Warendorf. Bei den BGF-Maßnahmen wird vor allem ein Unterschied bei den Maßnahmen, die durch die Einrichtungen angeboten werden, deutlich: Im Bereich der Gesundheitsvorsorge liegt der Anteil der betreibenden Einrichtungen in der Stadt Münster mit 58 % deutlich vorne, während in den Landkreisen insbesondere Angebote im Bereich der Bewegung die größte Rolle spielen. So haben etwa nur 44 % der Einrichtungen im Kreis Warendorf Maßnahmen im Vorsorgebereich angegeben und ebenso viele Angebote im Bewegungsbereich. Zu erwähnen ist, dass im Kreis Coesfeld keine Einrichtung BGF-Maßnahmen im Bereich Ernährung und Suchtmittelkonsum anbietet, während in allen anderen Regionen zumindest eines von beiden Angeboten genannt wurde.

Deutliche regionale Unterschiede ergeben sich aus der Perspektive, inwieweit sich die Einrichtungen bei der Analyse und Durchführung eine Zusammenarbeit mit externen Anbietern wünschen ( Tabelle 2). So geben in den Kreisen Borken und Warendorf 50 % der Einrichtungen an, externe Partner für die Konzeption und Umsetzung von BGM zu benötigen. Darüber hinaus erklärten 56 % (Kreis Warendorf) bzw. 58 % (Kreis Borken) Bedarf an einer Begleitung bei der Einführung von BGM. Zum Vergleich: In der Stadt Münster liegt der Bedarf für externe Begleitung bei der Einführung nur bei 16 % bzw. für die Konzeption und Umsetzung bei 21 %.

Als Schwierigkeiten bei der Implementierung geben im Kreis Warendorf 17 % fehlende externe Ansprechpartner an, 19 % fehlt das Angebot im Kreis Borken. Während bei der Durchführung der Maßnahmen immerhin noch 17 % der Einrichtungen externe Hilfe in Anspruch nehmen, sind es bei Evaluation und Analyse nur noch 4 % bzw. 7 %.

In sämtlichen Kreisen und auch in Münster wird als größtes Hindernis bei der Implementierung der Personalmangel angegeben. Zu vermerken ist ebenso, dass 75 % der teilnehmenden Einrichtungen angaben, mehr über BGM-Maßnahmen erfahren zu wollen bzw. 74 % sich mehr Informationen zu möglichen Finanzierungsmöglichkeiten wünschen. Auch Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen werden mit 69 % deutlich als Bedarf gekennzeichnet.

Das am häufigsten eingesetzte Analyseinstrument zur Bedarfserhebung in den Einrichtungen ist das Mitarbeitergespräch. Dies gaben 48 % der teilnehmenden Einrichtungen an. Mit jeweils 42 % folgen die Befragung der Mitarbeiter und die betriebsmedizinische Untersuchung. Hier ist indes anzumerken, dass die betriebsmedizinische Untersuchung ein gesetzlicher Teil des Arbeitsschutzes in der Pflege ist und das Mitarbeitergespräche im Sinne von Mentzel (2015) inzwischen als ein etabliertes Instrument der Mitarbeiterführung gelten. Darüber hinausgehende Analyseinstrumente, insbesondere im Bereich der Verstetigung, werden nur in sehr geringem Umfang angewandt: Beispielsweise der Gesundheitszirkel (11 %) oder die AU-Datenanalyse (7 %).

Die gewonnene Erkenntnis, dass 58 % der vom Netzwerk Gesundheitswirtschaft Münsterland befragten Einrichtungen bereits im BGM tätig sind, erlaubt die Annahme, dass die überwiegende Zahl der Entscheidungsträger ein hohes Verantwortungsgefühl für die Gesunderhaltung ihrer Beschäftigten besitzt. Als Motive für diese Sensibilität dürfen u.a. angenommen werden: Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit, Verbesserung der Stellung im Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit und Motivation der Mitarbeiter. Wenn „Qualität“ als Gesamtheit aller Eigenschaften einer Dienstleistung verstanden werden darf, so erkennen die Befragten ihre soziale Verantwortung und sehen gesunde und motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als zentralen Faktor für ein erfolgreiches Unternehmen. Veröffentlichungen in diesem Bereich, wie etwa von Fengler (1992) oder Domnowski (2005) weisen schon seit Jahren das Erfordernis der Unterstützung der Beschäftigten aus. Domnowski dazu: „Der Helfer kann in seinem Bemühen nur dann erfolgreich sein, wenn er auch Bedingungen vorfindet, die ihm seine Arbeit ermöglichen oder erleichtern. Dazu zählen nicht nur, je nach Helferberuf, die Bereitstellung von Arbeitsmaterialien, entsprechende Räumlichkeiten, finanzielle Unterstützung, Befugnisse und Kontakte, sondern auch Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung, der Krisenintervention und nicht zuletzt auch menschlicher Beistand“ (Domnowski 2005, S. 51). Insbesondere der Zusammenhang zwischen erfolgreichem BGM und einer positiven Jobperspektive der Mitarbeiter wurde bereits 2005 in der NEXT-Studie aufgezeigt (Simon et al. 2005).

Bei Frage 7 unserer Erhebung („Werden in Ihrem Betrieb gesundheitsfördernde Maßnahmen (BGF) durchgeführt“) antworteten 62 von 107 Einrichtungen mit Ja. Die Abfrage des Wunsches nach mehr Informationen zu BGM in Frage 14.1 zeigt, dass lediglich ca. 10 % kein Interesse bekundeten und unter 14.4 lediglich 18 von 91 Befragten keinen Bedarf an Begleitung bei der Einführung von BGM wünschen bzw. 21 von 90 Befragten keinen externen Partner benötigen. Dem gegenübergestellt, gaben ca. 25 % der bei NEXT befragten Pflegenden an, häufig daran zu denken, ihre bisherige Einrichtung zu verlassen (vgl. Simon et al. 2005, S. 50). Auch beim BKK Dachverband (2017) heißt es, dass 35,8 % aller in der Altenpflege Tätigen anzweifeln, ihren Beruf noch länger als zwei Jahre ausführen zu können. Als Gründe dafür nennen betroffene Pflegekräfte folgende Kategorien:

  • Arbeitsexposition,
  • interpersonelle Belastungen,
  • schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
  • zu geringe Anerkennung,
  • schlechte Arbeitsorganisation.

Weiter heißt es in dieser Studie: „Durchschnittlich könnten Unternehmen – konservativ gerechnet – für jeden in die Gesundheitsförderung investierten Euro allein durch die Reduktion von Fehlzeiten einen Betrag von 2,70 Euro einsparen“ (Bibliomed 2017). Demgegenüber wurden bei Frage 13 (Hindernisse bei der Implementierung) Personalmangel (36 Nennungen), das Fehlen finanzieller Mittel (32 Nennungen) und fehlende Informationen (28 Nennungen) in der hier beschriebenen Studie von vielen Einrichtungen – unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten – als Hindernisse genannt.

Die Studie des Netzwerks Gesundheitswirtschaft zeigt, dass insbesondere größere Einrichtungen (mehr als 150 Mitarbeiter) ein besonders hohes BGM-Engagement für ihre Beschäftigten zeigen. Bei den Antworten zu Frage 10 (In welchen Themenfeldern sind Sie im BGM aktiv?) werden folgende Aspekte genannt:

  • Arbeitsschutz (48 Nennungen),
  • BEM (38 Nennungen),
  • Betriebsklima (32 Nennungen),
  • Führungsverhalten (31 Nennungen).

Hierzu Auszüge aus NEXT: Bei zunehmender Einrichtungsgröße nimmt die Spannung zur Leitung zu und die Bindung an die Einrichtung ab (vgl. Simon et al. 2005, S. 55). Während die wahrgenommene kollegiale Unterstützung insgesamt keinen Zusammenhang mit der Einrichtungsgröße besitzt, wird diese durch Vorgesetzte in kleineren Einrichtungen von den Pflegenden signifikant höher erlebt (vgl. Simon et al. 2005, S. 26ff), so die Autoren. Hierzu heißt es: „in Altenheimen/Pflegeheimen ist das Verhältnis zur PDL [Pflegedienstleitung] auf relativ hohem Niveau angespannt/feindselig“ (Dies. S. 25).

Eine weitere Erkenntnis ergibt sich aus dem Vergleich unserer Ergebnisse (Frage 8: In welchen Bereichen werden gesundheitsfördernde Maßnahmen durchgeführt?):

  • Bewegung (48 Nennungen),
  • Vorsorge (41 Nennungen),
  • Stressbewältigung (27 Nennungen).

Diese harmonieren mit den in der NEXT-Studie von den dort befragten Pflegekräften problematisierten fünf Aspekten beruflicher Belastungen (Simon et al. 2005, S. 54): hohes Arbeitsaufkommen, Heben und Tragen, Umgang mit aggressiven Patienten, Burnout-Syndrom und Einfluss auf die Dienstplangestaltung.

BGM wird von den befragten Einrichtungen als eine geeignete Methode zur Belastungsreduktion anerkannt. Zur Analyse der Arbeitsbelastung ihrer Mitarbeiter nutzen laut unserer Studie die Befragten vor allem Gespräche mit Mitarbeitern (52 Nennungen), Befragungen (47 Nennungen) sowie betriebsmedizinische Untersuchungen (47 Nennungen) (Frage 11: „Welche Instrumente werden zur Analyse der gesundheitsbezogenen Situation der Beschäftigten eingesetzt?“). Informationen durch Mitarbeiter mittels Fragebögen oder Interviews werden als Einblick in subjektive Belastungen und Lösungsideen genutzt.

Diskussion

Zusammengefasst zeigt sich eine heterogene Lage hinsichtlich der Bemühungen um die Implementierung von BGM. In den Bereichen eingeführter BGF-Maßnahmen oder dem Interesse an weiterführenden Informationen ist die Mehrzahl sämtlicher Einrichtungen aktiv. Als größtes Hemmnis in diesem Kontext wird wiederholt der Personalmangel genannt. Bei der genaueren Analyse der Hemmnisse wird sichtbar, dass der Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen mit einem Mangel an Informationen einhergeht. Hier stellt sich die Frage, ob der Ressourcenmangel die Ursache für den Informationsmangel oder der Informationsmangel der Grund für die fehlende Bereitstellung von Ressourcen ist. Denn die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements ist in jedem Fall eine Investition, die zwar durch Steuervergünstigungen zum Teil subventioniert wird, jedoch erst längerfristig und nur bei genauer Fehlzeiten- und AU-Datenanalyse einen „zählbaren“ ökonomischen Effekt hat. Da aber gerade diese Analyseinstrumente in den Umfragedaten selten genannt wurden, bleibt zu befürchten, dass der genaue Outcome der Maßnahmen vom Großteil der Einrichtungen nicht festgestellt wird. Ein Prozess des Peer Counseling, also der Beratung oder Empfehlung der Maßnahmen der Einrichtungsleitungen untereinander, kann hier also voraussichtlich ausgeschlossen werden. An dieser Stelle wären kontingente Möglichkeiten der Kooperation offensichtlich erschließbar. Denn auffällig ist, dass die Inanspruchnahme von externer Begleitung mit Blick auf die Vernetzungsaktivität in der Stadt Münster und im Kreis Warendorf höher ist, während die Kreise Coesfeld, Steinfurt und Borken hier nur sehr wenige Nennungen zu verzeichnen haben. Dies kann als ein Hinweis auf eine Entwicklung gedeutet werden: Die Vernetzung der Pflegeeinrichtungen in der Stadt Münster und im Kreis Warendorf ist besonders gut bzw. es herrscht eine sehr gute Angebotstransparenz in diesen Regionen vor, so dass es den Einrichtungen leicht fällt, entsprechende Kooperationen zu nutzen.

Für eine eingehendere Betrachtung der regionalen Daten wird in Zukunft eine Strukturanalyse angestrebt, um mögliche Ursachen für die Informations- und Anbieterdefizite oder aber auch für Best-Practice-Beispiele zu identifizieren.

Die Darstellung des Vergleichs im Ergebnisteil zeigt ein relativ hohes Verständnis auf Seiten der Leitung für die berufliche Situation der Mitarbeiter. Es ist zu vermuten, dass ein Bewusstsein für die Problematik aktuell vorhanden ist. Hieraus kann eine Bewusstseinsstruktur in den Einrichtungen abgeleitet werden, mittels derer den gewonnenen Erkenntnissen hinsichtlich beruflicher Belastungen und Mitarbeiterverweildauer in Organisationen eine große Bedeutung zugewiesen wird. Diese individuellen Bedeutungsgebungen sind jedoch mit den Interaktionsmodi der sozialen Systeme untrennbar verknüpft: Inwiefern der reziproke Austausch mit anderen Organisationen gewinnbringend ist (etwa zu Finanzierungsmodellen) muss noch untersucht werden.

Die weiteren Darstellungen machen das Erfordernis des Ausbaus weiterer Maßnahmen sowie wiederum des Erfahrungsaustauschs zwischen den Einrichtungen sichtbar. Es scheint, dass für die Leitungskräfte bei der Einführung institutioneller Unterstützung „die Dringlichkeit auf der Hand liegt“ (Fengler 1992, S. 78). Welchen Sinn Netzwerke hier für die Entscheidungsträger bieten, um ihre Handlungen gemeinsam differenzieren zu können, sollte von ihnen geprüft werden. Hier wäre der Austausch zwischen unterschiedlich großen Einrichtungen evtl. gewinnbringend, um Unterscheidungen treffen zu können. So könnte die Beobachtung der eigenen Einrichtung auf einer Metaebene Neues sichtbar machen.

Auch die dargestellten Daten zum BGF (Frage 8) zeigen hauptsächlich Aktivitäten in den Bereichen: Bewegung, Vorsorge, Stressbewältigung. Die BGM-Themenfelder (Frage 10) bilden hauptsächlich Arbeitsschutz, BEM, Betriebsklima und Führungsverhalten ab. So bleibt als Problem die Unzufriedenheit über zu geringe Einflussnahme auf die Dienstplangestaltung bestehen, mit seinen Auswirkungen auf die Belastung der Beschäftigten, wenn der Handlungsbedarf, um Rollenkonflikte der Beschäftigten durch Planbarkeit und Regelmäßigkeit von Diensten entgegenzuwirken, nicht erkannt wird. Maßnahmen haben laut der hier vorgestellten Studie erst an fünfthäufigster Stelle stattgefunden. Die hier gemachten Erfahrungen zu vernetzen, darf als lohnenswerte Perspektive vermutet werden: Hierarchische Strukturen in Einrichtungen des Gesundheitswesens sind unerlässlich. Wenn aber starre Strukturen Anpassungsvorgänge an gesellschaftliche Veränderungen verhindern, kann das leicht zu Frustrationen führen. Der Vorteil flacher Hierarchien besteht in der Zunahme von Autonomie der Beschäftigten durch das Befolgen des Subsidaritätsprinzips durch die Leitungen, wie in kleineren Einrichtungen erkennbar.

Ein offener Austausch, um einrichtungsspezifische und -übergreifende Belastungsformen erkenn- und behandelbar zu machen, wäre ein positives Ergebnis von Vernetzungsaktivitäten zwischen den Einrichtungen. Eine systematische Analyse der Bedarfe von Beschäftigten beinhaltet das Erfordernis weiterer Instrumente als die in der Umfrage dargestellten Methoden. So stehen Gesundheits- und Qualitätszirkel zwar zur Verfügung, die Aussagen unserer Befragten weisen jedoch auf eine noch auszubauende Vernetzung diesbezüglich hin. So ließen etwa 12 % der Antworten fehlende externe Ansprechpartner als Hindernis bei der Implementierung von BGM erkennen. Hier liegt noch Kontingenz verborgen: Als hilfreich könnte ein Austausch über Themen wie: Dienstplangestaltung, Arbeitsbelastungskurven, Arbeitsklima, personelle Ausstattung, räumliche Gestaltung, Kommunikationsprozesse, Arbeitsabläufe sowie Erfahrungen mit Bewältigungsmodellen, z.B. Bildungsmaßnahmen, sportliche Aktivitäten oder Fort- und Weiterbildung erlebt werden. Gesundheitszirkel stellen organisationsübergreifende Instrumente dar, die als Problem- und Ressourcencheck eingesetzt werden können. Eine kritische Nutzung von Experteninterviews im Sinne von „Best Practice“ vor dem Hintergrund einer Analyse bereits erfolgreicher Instrumente wurde unter diesem Punkt gar nicht angegeben.

Die Nennungen zur sozialen Unterstützung der Beschäftigten durch die Unternehmen mittels BGF gelten nach dem Setting-Ansatz der WHO in der Ottawa-Charta (Göpel 2008) zwar als Gesundheitsförderung im Betrieb, beinhalten aber noch nicht – im Sinne der Beschäftigten – von der WHO geforderte partizipative Maßnahmen. BGM-Maßnahmen wie Mitbestimmung, Beteiligung und Teilhabe an der Unternehmenspolitik werden jedoch vom Deutschen Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung gefordert. Diese Projekte umzusetzen bedarf laut der vorliegenden Studie einer Förderung durch die Einrichtungen. Die Antworten bei Frage 10 (Aktivität in BGM-Themen) lassen bei Unternehmenspolitik (8 Nennungen) und Beteiligung (14 Nennungen) weniger Aktivität erkennen.

Es zeigt sich in der hier vorgelegten Studie auch, dass zwar zur Durchführung von Maßnahmen externe Unterstützungsangebote (hier könnte an Instrumente wie z.B. Intervision, Balintgruppe, Supervision gedacht werden), jedoch nicht im Vorfeld zur Analyse und im Späteren zur Evaluation, genutzt werden. Dies scheinen die Einrichtungen aus „Bordmitteln“ zu bestreiten.

Die Ergebnisse der Studie des Netzwerks Gesundheitswirtschaft Münsterland zeigen die Notwendigkeit des Erfahrungsaustauschs. Ein Ausbau der Kooperation zwischen den Einrichtungen bzw. die Entwicklung des Austauschs mit externen Begleitern stellt – insbesondere vor dem Hintergrund aufgeführter Notwendigkeiten – eine besondere Herausforderung dar.

Schlussfolgerung

Im Gesundheits- und Pflegesektor greift kein Taylorismus. Wir haben es hier nicht mit eingrenzbaren Produktionsgegenständen zu tun; Gesundheit ist letztlich immer von ganzheitlicher Dimension und bedarf diverser Perspektiven. Das Gesundheits-/Pflegewesen braucht ein „Zwischen-den-Blickwinkeln“, die Kooperationen und Netzwerke. Hervorgebracht werden muss dies von den Mitarbeitenden. Sie sind in der Rolle, die Netze zu spannen und sich darin zu bewegen und (zusammen) zu arbeiten (vgl. Kehl 2014, S. 132). BGM bedeutet: Gesundheitsunterstützung für diejenigen, die Gesundheit unterstützen. Da sie dies in Netzwerken tun – einhergehend mit so netzwerktypischen Herausforderungen wie Zuständigkeitsdiffusion, Ambivalenzen, Aushandlungspraxen u.Ä. –, muss BGM ihnen dorthin folgen. „Gesundheit“ und „Netzwerke“ haben eines gemeinsam: Beide lassen sich nicht in einem technokratischen Sinne „herstellen“. Trotzdem ist die unternehmerische Investition in „Gesundheit“ als auch in „Netzwerke“ geboten. Und das irritiert Organisationen bisweilen in ihrer funktionalen Grundlogik. Holzer und Fuhse (2010, S. 319) definieren Netzwerke als „sekundäre Form der Ordnungsbildung, die den Funktionssystemen strukturell und genetisch nachgeordnet [ist].“ Netzwerke spielen sich also abseits der resp. in Ergänzung zu den Primäraktionen der etablierten Organisationen ab. Es ist aber natürlich nicht nur von Nachteil, dass Netzwerke für Organisationen nicht in dem Sinne kontrolliert steuerbar sind wie interne Prozesse.

Die Frage lautet: Für welche Anteile brauche ich als Organisation den strukturell abgesteckten Rahmen, innerhalb dessen ich Prozesse gezielt steuern und nachverfolgen kann, und worin bestehen Anteile, die eher förderlicher Bedingungen und Freiräumen bedürfen? „Gesundheit“, das haben die Erhebungen gezeigt, bedarf der Priorisierung auf Leitungsebene. Aber „Gesundheit“ ist auch ein narratives Phänomen (vgl. Schmidt 2017, S. 20 f.). Die Leitungsebene kann die Mitarbeitenden nicht gesund „machen“. Vielleicht geht es neben Maßnahmen und Angeboten deshalb auch um Vertrauen und Zugeständnisse: In Netzwerken ließe sich, einmal außerhalb der tagtäglichen internen Abläufe, ein Raum aufspannen, wo sich Fachkräfte über ihre Eigenstrategien im Sinne von Gesundheitshygiene und Selbstschutz etc. gewahr werden können. Die Erhebungen werfen die Frage auf, ob Organisationen ihrerseits womöglich zu stark deduktiv an das Thema „Gesundheit der Mitarbeitenden“ herangehen. Das „Mitarbeitergespräch“ – ein Rahmen, der gemeinhin auch der Bewertung der Mitarbeitenden durch die Geschäftsführung dient – ist mit einer Nennungshäufigkeit von 48 % das am stärksten genutzte Analyseinstrument; dagegen kommt „Evaluation“ als einer mitarbeiterübergreifenden Erfassung nur bis zu 7 % des Betriebsengagements zu. Auch tritt der Wunsch nach externen Expertinnen und Experten deutlich zutage. Die Risiken, wenn BGM im interorganisationalen Netzwerkverbund – und damit außerhalb des unmittelbaren betrieblichen Tagesgeschäfts – Raum fände, liegen ebenso auf der Hand: insbesondere das Thema „Datenschutz“ sowie die Gefahr, dass Gesundheitsaspekte/-bedingungen nicht in die regulären Abläufe der Betriebe Einzug erhalten und integriert werden. Unter dem Strich muss konstatiert werden: „Gesundheit“ lässt sich ebenso wenig „outsourcen“ – sie muss auf Leitungsebene priorisiert und mitgetragen werden – wie im Sinne eines internen Produktionsbestandteils planvoll „herstellen“. BGM ist, genau wie moderne Netzwerkorganisationen, ein ständig auszubalancierender „Hybrid“ aus Innen- und Außenprozessen, weil genau darin auch (moderne) Gesundheits- und Pflegearbeit ihrerseits besteht.

Literatur

Bibliomed: https://www.bibliomedmanager.de/news/31939-viele-krankenpfleger-fuerchten-um-eigene-Gesundheit (abgerufen am 30.06.2017).

Blum K et al: Wiedereinstieg ehemals berufstätiger Pflegekräfte in den Pflegeberuf. Abschlussbericht, Düsseldorf: Deutsches Krankenhausinstitut e.V., 2004.

Burisch M: Das Burnout-Syndrom, 5. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 2014.

Domnowski M: Burnout und Stress in Pflegeberufen. 2. Aufl. Hannover: Schluetersche GmbH & Co. KG Verlag, 2005.

Faller G: Lehrbuch Betriebliche Gesundheitsförderung. Bern: Hans Huber, 2010.

Fengler J: Helfen macht müde. München: Klett-Cotta, 1992.

Flieder M: Was hält Krankenschwerstern im Beruf? Eine empirische Untersuchung zur Situation langjährig berufstätiger Frauen in der Krankenpflege. Frankfurt: Mabuse, 2002.

Göpel E (Hrsg.): Systemische Gesundheitsförderung. Frankfurt: Mabuse, 2008.

Grabbe Y: DAK-BGW: Gesundheitsreport 2006 – Ambulante Pflege. IGES Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH. Hamburg: DAK, 2006.

Hackmann T: Arbeitsmarkt Pflege: Bestimmung der künftigen Altenpflegekräfte unter Berücksichtigung der Berufsverweildauer. Freiburg: Forschungszentrum Generationenverträge der Albert Ludwigs-Universität Freiburg, 2009.

Holzer B, Fuhse J: Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive. In: Stegbauer C, Häußling R (Hrsg.). Handbuch Netzwerkforschung. Wiesbaden: VS Verlag, 2010, S. 313–324.

Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur : Berufsverläufe von Altenpflegerinnen und Altenpflegern. Zentrale Studienergebnisse im Überblick, Frankfurt: Zentrum der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 2009.

Kehl K: Sozialinvestive Pflegepolitik in Deutschland. Familiäre und zivilgesellschaftliche Potenziale im Abseits wohlfahrtsstaatlichen Handelns. Wiesbaden: Springer VS, 2014.

Kliner K et al: Gesundheit und Arbeit – Blickpunkt Gesundheitswesen, BKK Gesundheitsatlas 2017. Berlin: MVV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2017.

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Beitrag der jeweiligen Autoren zum Manuskript: JT, JR: Einleitung, Methodik, Ergebnisse der Analyse und Diskussion; JR: Weitergehende Analyse; KTH: Schlussfolgerung

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Für die Verfasser

Johannes Technau

Netzwerk Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V.

Mendelstr. 11 – 48149 Münster

technau@gewi-muensterland.de

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2018; 53: 735–741

Fußnoten

1Katholische Hochschule – Abteilung Münster

2Diakonisches Werk Münster

3Netzwerk Gesundheitswirtschaft Münsterland e.V.