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Sozialpsychiatrievereinbarung ermöglicht differenzierte Einschätzung und Versorgungsangebote für psychisch kranke minderjährige Flüchtlinge

Einleitung

Wenn Jugendliche als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, und wenn sie dies auch noch ohne ihre Familie tun, dann haben sie in aller Regel Erschütterndes erlebt. Allein schon die Trennung von der Familie und der sozialen Herkunftsgemeinschaft würde als massive Belastung ausreichen, es bräuchte nicht die auf den oft monatelangen Fluchtwegen erlebten Schwierigkeiten oder die auch in Deutschland für viele bestehenden Belastungen, um in dieser Krisensituation psychisch krank zu werden und Verhaltensauffälligkeiten zu zeigen. Nicht jeder Jugendliche benötigt dann aber eine intensive Traumatherapie, nicht jeder Jugendliche entwickelt eine posttraumatische Belastungsstörung, sondern die Erkrankungen und Auffälligkeiten sind vielschichtig und vielfältig.

Perspektive in Schule und Arbeitsplatz schaffen

Es geht in vielen Fällen zunächst darum, überhaupt erst einmal einzuschätzen, welcher Hilfebedarf besteht und zu schauen, wo stützende Interventionen notwendig und geeignet sein können, um den jungen Menschen in ihren Krisen wirksam zu helfen. Eine wesentliche Rolle für die psychische Gesundheit der Betroffenen spielt die Frage, wie eine Perspektive für die betroffenen Jugendlichen in Schule und am Arbeitsplatz geschaffen werden kann und was bei auftretenden Schwierigkeiten getan werden kann, um laufende Ausbildungen wirksam zu unterstützen.

Möglichkeiten der Unterstützung identifizieren

Um dies zu tun, muss differenziert eingeschätzt werden können, wie Verhaltensauffälligkeiten oder deutliche erkennbare emotionale Schwierigkeiten fachlich zu bewerten sind. Braucht es eine Therapie und wenn ja, welche? Ist es sinnvoll und zielführend, weitere sozialpädagogische Unterstützung anzubieten? Wie ist die Prognose einzuschätzen? Solche und ähnliche Fragen sind zu klären. Es ist für eine sachgerechte Planung weiterer Maßnahmen wichtig zu wissen, ob es neben den fluchtbedingten Symptomen bereits länger bestehende Erkrankungen gibt, ob sonstige Leistungseinschränkungen und Entwicklungsstörungen bestehen, die eben nicht durch die Flucht erklärt werden können, die aber für eine berufliche und allgemeine soziale Eingliederung und Teilhabe von großer Bedeutung sein können.

Qualifizierte multimodale Einschätzung

Eine gute Möglichkeit für eine qualifizierte multimodale Einschätzung besteht in den über 1000 Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie deutschlandweit. In über 700 dieser Praxen arbeiten die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie im Rahmen der sog. Sozialpsychiatrievereinbarung in multiprofessionellen Teams mit Heilpädagogen, Sozialpädagogen, Psychologen und anderen sozialpsychiatrisch qualifizierten Fachkräften unter ärztlicher Leitung eng zusammen. Dadurch kann eine multimodale Diagnostik und Therapie auf der Grundlage einer umfassenden Einschätzung der biopsychosozialen Ursachen der bestehenden Schwierigkeiten und Erkrankungen erfolgen und eine differenzierte Beratung und Planung weiterer Maßnahmen erfolgen. Es ist für die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen lange geübter Standard, in multiprofessionellen Teams zu arbeiten, so dass auch die Zusammenarbeit mit Dolmetschern oder mit Mitarbeitern von Betreuungseinrichtungen, Schulen, Arbeitgebern und vielen anderen externen Beteiligten gängige Praxis ist.

Sozialpsychiatrievereinbarung: Grundlage für Versorgungsangebote

Die Sozialpsychiatrievereinbarung ist Teil des Bundesmantelvertrags und ist somit eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Sie bildet die Grundlage für dieses im Gesundheitssystem besondere Angebot, mit dem in den Facharztpraxen Strukturen vorgehalten werden können, die sonst nur in Klinikambulanzen möglich wären. Noch nicht überall in Deutschland gleich gut ist die Versorgungsdichte mit diesen Praxen, in Ballungsräumen ist inzwischen in der Regel aber eine recht gute Versorgungssituation gegeben und die immer wieder beschriebenen monatelangen Wartezeiten auf einen Termin gehören glücklicherweise der Vergangenheit an.

Einen sehr guten Überblick über die Leistungsangebote gibt eine in 2013 und 2014 von den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemeinsam durchgeführte Evaluation dieser Arbeit, die auf der Seite der KBV abrufbar ist (Hagen 2015, s. „Weitere Infos“). Weitere Informationen über dieses Angebot sind außerdem über den Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP e.V.) erhältlich.

    Weitere Infos

    Hagen B: Evaluation der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung. 2015 (abgerufen am 26.09.2016)

    www.kbv.de/media/sp/SPV_Abschlussbericht_2014.pdf

    Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP)

    www.kinderpsychiater.org

    Autor

    Dr. med. Gundolf Berg

    Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

    Rhabanusstraße 3 – 55116 Mainz

    berg@bkjpp.de

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