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Sicherung der universitären Arbeitsmedizin — drei Wege zum Erfolg

Die universitäre Arbeitsmedizin ist vielerorts im Umbruch begriffen, sozusagen in einem „Konzentrationsprozess“: Viele Institute sind derzeit stabil – zwei werden von benachbarten Hochschulinstituten mitversorgt. Einige Institute, darunter auch ehemals größere Einrichtungen, wurden bedauerlicherweise nicht mehr besetzt und die Institutsräume anderweitig genutzt. Einige werden mit dankenswerter Hilfe der Unfallversicherungsträger und ideeller Unterstützung der jeweiligen Landesregierung gegenwärtig wieder neu eingerichtet. Ehemals arbeitsmedizinisch wichtige Standorte sind ohne Fachvertretung. In diesem Beitrag geht ein Ordinarius für Arbeitsmedizin, Professor Dennis Nowak, der Frage nach, wie universitäre arbeitsmedizinische Einrichtungen gesichert und gestärkt werden können?

Bestandsaufnahme – Wie viele und welche universitären Institute in der Arbeitsmedizin haben wir?

Die universitäre Arbeitsmedizin ist vielerorts im Umbruch begriffen, sozusagen in einem „Konzentrationsprozess“: Viele Institute sind derzeit stabil (alphabetisch): Aachen, Bochum, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Erlangen, Frankfurt, Freiburg (Bewegungs- und Arbeitsmedizin), Gießen, Göttingen, Halle, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig (Sozial- und Arbeitsmedizin), Magdeburg, Mainz, München, Rostock, Tübingen und Wuppertal (Arbeitswissenschaft unter arbeitsmedizinischer Leitung) – zwei (Marburg, TU München) werden von benachbarten Hochschulinstituten mitversorgt. Einige Institute, darunter auch ehemals größere Einrichtungen, sind derzeit weg von der Bildfläche (Essen, Greifswald, Heidelberg, Homburg, Münster), jammerschade und todtraurig für jeden einzelnen Standort.

Einige (Jena, Lübeck) werden mit dankenswerter Hilfe der Unfallversicherungsträger und ideeller Unterstützung der jeweiligen Landesregierung gegenwärtig revitalisiert. Ehemals arbeitsmedizinisch wichtige Standorte (Berlin, Ulm) sind ohne Fachvertretung. Katastrophal, zumal in der Hauptstadt. „Bunte Hunde“ wie Nürnberg-Salzburg, Kassel-Southampton, Hamburg-Budapest, Oldenburg-Groningen sind hier zunächst noch unberücksichtigt.

Wie können universitäre arbeitsmedizinische Einrichtungen gesichert und gestärkt werden?

Der erste Weg: Finanzierung aus Landesmitteln

Der traditionell wünschenswerte und fachlich gebotene, leider aber zum Teil historische Normalzustand ist ein funktionsfähiges universitäres arbeitsmedizinisches Institut an jeder medizinischen Fakultät. Werden die „mitversorgten“ und „revitalisierten“ Standorte mit eingerechnet, ist die universitäre Arbeitsmedizin damit derzeit an 22 von 36 der deutschen medizinischen Fakultäten vertreten.

Aber dort, wo sie ist, ist sie im Mittel wissenschaftlich-akademisch höherwertiger als noch vor 20 Jahren. Publikationen und Drittmitteleinwerbungen brauchen sich vor anderen Fächern vielfach keineswegs zu verstecken. Wir sind nach meinem Eindruck summa summarum in den Bewertungsmaßstäben der Hochschulmedizin und im Praxisbezug sehr viel erfolgreicher als vor 20 Jahren. Mit der Frage, der mehr oder weniger wünschenswerten fachspezifischen Gewichtung von Impactfaktoren, will ich hier nicht vom Thema abweichen.

Der zweite Weg: Finanzierung durch Unfallversicherungsträger

Universitäten und Fachgesellschaften wenden sich hilfesuchend an Unfallversicherungsträger. So aktuell erfolgreich geschehen in Lübeck und Jena, wo die arbeitsmedizinischen Universitätsinstitute mit Hilfe der Unfallversicherungsträger wiederbelebt werden. Danke! In Hamburg wird von der BGW ein Stiftungslehrstuhl für Versorgungsforschung in der Dermatologie und in den Pflegeberufen eingerichtet. Die Unterstützung der Unfallversicherungsträger suche auch ich in München – in der Auffassung, dass auch Stiftungsprofessuren der Unfallversicherungsträger im Verbund eines funktionsfähigen Universitätsinstituts von Synergieeffekten (Gerätepool, Ambulanz, Rotation von (ärztlichen) MitarbeiterInnen, Weiterbildungsbefugnis) profitieren können. Ein Modell für viele Standorte.

Der dritte Weg: Das Tübinger Erfolgsmodell der Co-Finanzierung

Fast lautlos hat der Arbeitgeberverband Südwestmetall in Tübingen ein neues, drittes, Modell geschaffen. Das arbeitsmedizinische Universitäts-Institut in Tübingen wurde 1965 gegründet. Langjährig geführt von Prof. Weichardt und Prof. Schmahl, übernahm im Jahre 2008 kommissarisch, 2009 als Lehrstuhlinhaberin, Frau Prof. Rieger, ehemals Wuppertal, die Direktion. Seit 2008 unterstützt der Arbeitgeberverband Südwestmetall das Institut über eine Laufzeit von 10 Jahren mit jährlich einem mittleren sechsstelligen Betrag, die Fakultät legt das Gleiche obendrauf. Dieses Modell wird von einem Kuratorium aus Vertretern der Wissenschaft und der betriebsärztlichen Praxis begleitet, das das Institut berät und den beiden Mittelgebern gegenüber Empfehlungen ausspricht. Das Konzept wurde im November 2016 um zehn Jahre verlängert. Warum? Weil es ein Erfolgsmodell ist.

Was sind die fünf Facetten dieses Erfolgsmodells?

  • Durch die Kombination universitärer und langfristig verlässlicher (!) externer Mittel des Arbeitgeberverbandes ist ein langfristiges Planen möglich, das unabhängig von schwer vorhersehbaren Höhen und Tiefen der Drittmitteleinwerbung und wechselnder Landesmittel für die Fakultäten ist.
  • Die akademische Unabhängigkeit des Einsatzes der Industriemittel ist zum einen durch die universitäre Positionierung der Institutsdirektorin gesichert, zum anderen durch den unrestricted (!) grant von Südwestmetall. Das heißt, die Mittel fließen nicht projektbezogen und sind damit unabhängig von potenziellen Stimmungsschwankungen der Stifter
  • Die immer angemahnte Praxistauglichkeit universitärer Forschung in der Arbeitsmedizin ergibt sich durch die vorliegende Konstellation geradezu zwingend von selbst.
  • Die Ausbildung von Fachärzten für Arbeitsmedizin wird auf eine breitere Basis gestellt und gewinnt auch quantitativ.
  • Nicht zu unterschätzen in diesem Gesamtkonzept ist die Aufwertung des arbeitsmedizinischen Studentenunterrichts durch Praxisbezüge wie die von Frau Dr. Hildenbrand konzipierte einwöchige Wahlpflichtveranstaltung „Praxis im Betrieb“, in der die Arbeit des Betriebsarztes vor Ort begleitet wird. Die Betriebsärzte gehören vorrangig Unternehmen des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall an und ermöglichen darüber hinaus auch die für die Studierenden verpflichtenden Betriebsbegehungen. Zahlreiche Lehrpreise zeichnen dieses Konzept aus.

Ich schreibe dieses, um anzuregen, dieses Modell auch andernorts zu realisieren. Warum nicht auch die Kombination aus universitären Mitteln mit Mitteln der Unfallversicherungsträger und der Industrie, von mir aus gern – sofern liquide – auch der Arbeitnehmervertretungen! Ich bin nicht naiv, aber in meiner (als Vorsitzender des Kuratoriums des Tübinger Instituts ziemlich detaillierten) Kenntnis der Tübinger Situation habe ich nicht die Spur einer Sorge, dass die akademische Unabhängigkeit leiden könnte.

Prof. Dr. med. Dennis Nowak

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