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Rechtliches in Zusammenhang mit der “Bildschirmbrille“

Eine nationale Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben erfolgte in Deutschland durch die Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) und die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Zukünftig sollen die Inhalte der BildscharbV in die Arbeitsstättenverordnung integriert werden.

Der Begriff des „Bildschirmgeräts“ ist europarechtlichen Vorgaben folgend weit zu fassen. Bei einem Bildschirmgerät im Sinne der BildscharbV handelt es sich um einen Bildschirm zur Darstellung alphanumerischer Zeichen oder zur Grafikdarstellung und zwar ungeachtet des konkreten Darstellungsverfahrens (§ 2 Abs. 1 BildscharbV). Unerheblich ist somit, ob es die Form in analoger oder digitaler Form erfolgt1. Auch zukünftige Technologien zur entsprechenden Darstellung sind somit umfasst2.

Zu den Bildschirmgeräten zählen aber auch alle Funktionseinheiten, zu denen insbesondere Bildschirme zur Darstellung von visuellen Informationen, Einrichtungen zur Datenein- und -ausgabe, sonstige Steuerungs- und Kommunikationseinheiten (Rechner) sowie eine Software zur Steuerung und Umsetzung der Arbeitsaufgaben (vgl. § 2 Abs. 6 der zukünftigen Arbeitsstättenverordnung).

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten muss der Arbeitgeber seinen Beschäftigten eine Angebotsvorsorge anbieten (§5 Abs. 1 ArbMedVV i. V. m. Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV).

Das Angebot für die Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmarbeiten muss so erfolgen, dass es den Beschäftigten persönlich erreicht und er somit in die Lage versetzt wird, seine diesbezüglichen Rechte in angemessener Form auch wahrzunehmen.

Der Ausschuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) hat in Bezug auf das Angebot arbeitsmedizinischer Angebotsvorsorge eine Arbeitsmedizinische Regel (AMR Nr. 5.1) erlassen, die auch im Gemeinsamen Ministerialblatt nach § 9 Abs. 4 ArbMedVV veröffentlicht wurde. Hält sich der Arbeitgeber an die dortigen Regelungen, so ist von Rechts wegen davon auszugehen, dass er ein ordnungsgemäßes und der ArbMedVV entsprechendes Angebot seinen Beschäftigten unterbreitet hat (sog. „Vermutungswirkung“ nach § 3 Abs. 1 Satz 3 ArbMedVV). Die AMR 5.1 kann kostenfrei auf der Internetpräsenz der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingesehen und heruntergeladen werden (s. „Weitere Infos“).

Inhalt der Vorsorgemaßnahme

Grundsätzlich gilt in Bezug auf die Untersuchungsinhalte, dass die ärztliche Beratung des Beschäftigten das Kernelement der Angebotsvorsorge darstellt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV). Klinische und körperliche Untersuchungen sind nur dann Bestandteil der Angebotsvorsorge, sofern sie für die individuelle Aufklärung und Beratung des Beschäftigten erforderlich sind und der Beschäftigte diese Untersuchungen nicht ablehnt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV).

Der die Angebotsvorsorge durchführende Arzt legt grundsätzlich die erforderlichen klinischen und körperlichen Untersuchungen fest (§ 6 Abs. 1 Satz 3 ArbMedVV, was sich allerdings bereits aus dem Arztrecht ergibt).

Bei der Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmgeräten ist allerdings festgelegt, dass die Vorsorge auch das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens enthält (Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV). Dies erscheint auf den ersten Blick zu anderen Vorsorgemaßnahmen widersprüchlich, erklärt sich allerdings ganz einfach aus den europarechtlichen Vorgaben. So legt Art. 9 RL 90/270/EWG fest, dass die Beschäftigten das Recht auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens haben. Dem Beschäftigten steht allerdings auch hier das Recht zu, diese Untersuchungen ganz oder zum Teil abzulehnen und z. B. nur die ärztliche Beratung in Anspruch zu nehmen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV).

Zu einer angemessenen Untersuchung der Augen und des Sehvermögens gehört u. a. gem. Nr. 2 Abs. 1 AMR 14.1 ein Sehtest, bestehend aus:

  • einer Sehschärfebestimmung im Nah- und Fernbereich (unter Berücksichtigung arbeitsplatzrelevanter Sehabstände),
  • einer Prüfung der Stellung der Augen,
  • einer Prüfung des zentralen Gesichtsfeldes und
  • einer Prüfung des Farbsinnes.

Zeitpunkt der Angebotsvorsorge

Die Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmarbeiten ist vor Aufnahme der Tätigkeit und danach in regelmäßigen Abständen (von in der Regel drei Jahren3) zu ermöglichen (§ 5 Abs. 1 ArbMedVV).

Weiterhin muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten unverzüglich eine Angebotsvorsorge anbieten, wenn ihm Sehbeschwerden des Beschäftigten im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit bekannt geworden sind (§ 5 Abs. 2 ArbMedVV i.V.m. Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV).

Recht auf augenärztliche Untersuchung

In Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV ist weiterhin festgelegt, dass der Arbeitgeber dem Beschäftigten auch die Möglichkeit einer augenärztlichen Untersuchung geben muss, sofern sich dies aufgrund der Angebotsvorsorge als erforderlich erweist.

Auch dies erscheint auf den ersten Blick merkwürdig. Hintergrund ist aber auch hier die europarechtliche Vorgabe, dass einem Beschäftigten ermöglicht werden muss, eine entsprechende augenärztliche Untersuchung vornehmen zu lassen, sofern sich dies als Ergebnis der Untersuchung erforderlich erweist (vgl. Art. 9 Abs. 2 RL 90/270/EWG). Dies erklärt sich insbesondere daraus, dass die „Bildschirmrichtlinie“ nicht zwingend einen Arzt für die Untersuchungen vorsieht, sondern Personen mit entsprechender Qualifikation als ausreichend ansieht (Art. 9 Abs. 1 RL 90/270/EWG). Auch die alte Fassung der BildscharbV, die vor dem 24.12.2008 gültig war (also vor Inkrafttreten der ArbMedVV), hat in § 6 BildcharbV a.F. keinen Arzt, sondern lediglich eine „fachkundige Person“ verlangt.

Durch die Regelung der Bildschirmvorsorge in der ArbMedVV hat allerdings Deutschland den Weg gewählt, dass nur ein Arzt (in aller Regel mit arbeitsmedizinischer Fachkunde, vgl. § 7 Abs. 1 ArbMedVV) eine entsprechende Vorsorge durchführen darf. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus dem Umstand, dass Kernelement der Angebotsvorsorge eine ärztliche Beratung darstellt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV) und ärztliche Beratungen zu den ärztlichen Maßnahmen gehören, die auch nicht an nichtärztliches Personal delegiert werden können.

Das Recht auf einen Augenarzt ergibt sich aber bereits aus § 7 Abs. 1 Satz 3 ArbMedVV, der festlegt, dass der Arzt einen entsprechenden fachkundigen Arzt für die Vorsorgemaßnahmen hinzuziehen muss, sofern er selber für bestimmte Untersuchungsmethoden nicht über die speziellen Anerkennungen oder Ausrüstungen verfügt.

Bildschirmbrille

Den Beschäftigten ist im erforderlichen Umfang auch eine spezielle Sehhilfe für ihre Arbeiten an Bildschirmgeräten zur Verfügung zu stellen (Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV). Bei diesen sog. „Bildschirmarbeitsbrillen“ handelt es sich um spezielle Sehhilfen, die den speziellen Anforderungen an die Arbeit an Bildschirmgeräten Rechnung tragen.

Dieser Anspruch besteht von Rechts wegen allerdings nur dann, wenn normale Sehhilfen nicht geeignet sind, die vorliegenden Beeinträchtigungen zu beheben.

Anspruchsvoraussetzung

Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsplatzbrille ist, dass das Ergebnis der Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmarbeiten ist, dass eine spezielle Sehhilfe notwendig ist und normale Sehhilfen nicht geeignet sind (Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV). Maßgeblich ist eine ärztliche Einschätzung und nicht der Umstand, ob der Beschäftigte selber eine spezielle Sehhilfe für erforderlich erachtet.

Im Ergebnis muss somit eine entsprechende Angebotsvorsorge durchgeführt worden sein. Aufgrund des klaren Wortlautes in Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV steht es einem Arbeitgeber auch nicht zu, die Voraussetzungen für eine „Bildschirmarbeitsbrille“ von dem Besuch eines Augenarztes abhängig zu machen. Maßgeblich ist die Angebotsvorsorge im Sinne von § 5 Abs. 1 ArbMedVV i.V.m. Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV, die in aller Regel durch einen Arzt mit der Gebietsbezeichnung „Arbeitsmedizin“ oder einen Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ durchgeführt wird (vgl. § 7 Abs. 1 ArbMedVV).

Dauer der Bildschirmarbeit

Fraglich bleibt auch, ab welcher Dauer der Bildschirmtätigkeit ein Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsbrille besteht. Beschäftigte im Sinne der BildscharbV sind solche, die gewöhnlich bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen (vgl. § 2 Abs. 3 der alten BildscharbV). Bein einer 35-Stunden-Woche und einem Arbeitstag von durchschnittlich 7 Stunden ist eine Bildschirmarbeit von durchschnittlich 30–45 Minuten pro Arbeitstag „nicht unwesentlich“4.

Anspruch auf Sachausstattung

Liegen die Voraussetzungen für eine „Bildschirmarbeitsbrille“ vor, so ist weiterhin zu beachten, dass es sich um einen „Anspruch auf Sachausstattung“ handelt. Sie ist folglich dem Beschäftigten „zur Verfügung zu stellen“ (Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV). Vom Wortlaut her sehen folglich die rechtlichen Regelungen vor, dass der Arbeitgeber die Bildschirmbrille selber beschafft und sie dann dem Beschäftigten am Arbeitsplatz überlässt.

Der Anspruch berechtigt den Beschäftigten dagegen nicht, sich einfach eine Bildschirmarbeitsbrille zu besorgen und die Kosten hierfür beim Arbeitgeber einzufordern. Im Ergebnis beinhaltet der Anspruch auf Sachausstattung nur, dass der Arbeitgeber dafür zu sorgen hat, dass eine entsprechende Sehhilfe am Arbeitsplatz des Beschäftigten bereitgehalten wird. Weiterhin muss der Arbeitgeber auch das Eigentum an der „Bildschirmarbeitsbrille“ nicht dem Beschäftigten übertragen. Er kann ferner verlangen, dass die spezielle Sehhilfe am Arbeitsplatz verbleibt.

Überlässt es allerdings der Arbeitgeber dem Beschäftigten, die Bildschirmarbeitsbrille selber zu beschaffen, so entsteht anstatt des Anspruchs auf Sachausstattung ein Kostenerstattungsanspruch. Es handelt sich dann um ein Surrogat für den an sich normativ vorgesehenen Anspruch auf Sachausstattung. Allerdings ist hier seitens des Beschäftigten der Grundsatz der Sparsamkeit zu beachten5.

Unter Berücksichtigung der Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bzw. die Personalvertretungsgesetze der Länder, z. B. Art. 75 Abs. 4 Nr. 8 BayPVG) kann der Arbeitgeber auch festlegen, wie genau der Beschäftigte an die Bildschirmbrille kommt, sofern es sich hierbei um zumutbare Regelungen handelt, die die diesbezüglichen Ziele der RL 90/270/EWG bzw. der ArbMedVV nicht vereiteln.

Hält sich der Beschäftigte dann nicht an die entsprechenden Regelungen, so hat er auch keinen Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Sachkosten6.

Kostentragung der Bildschirmbrille

Schon europarechtlich ist gefordert, dass die Kosten für Gesundheitsschutzmaßnahmen in keinem Fall zu Lasten der Arbeitnehmer gehen dürfen (vgl. Art. 6 Abs. 5 RL 89/391/EWG).

Auch die „Bildschirmrichtlinie“ 90/270/EWG (eine Einzelrichtlinie nach Art. 16 Abs. 1 RL 89/391/EWG) legt noch einmal explizit fest, dass eine spezielle Sehhilfe in keinem Fall zu einer finanziellen Mehrbelastung der Arbeitnehmer führen darf (Art. 9 Abs. 4 RL 90/270/EWG).

Im Ergebnis führt dies dazu, dass vom Grundsatz her der Arbeitgeber in vollem Umfang für die Kosten einer speziellen Sehhilfe („Bildschirmarbeitsbrille“) aufkommen muss. Eine Kostenbeteiligung des Beschäftigten ist grundsätzlich somit nicht möglich. Dieser Grundsatz ist den Vorgaben entsprechend auch in das deutsche Recht mit übernommen worden (vgl. § 3 Abs. 3 ArbSchG), wonach der Arbeitgeber Kosten für Maßnahmen nach dem ArbSchG nicht den Beschäftigten auferlegen darf. Dies gilt auch für Rechtsverordnungen wie der ArbMedVV, die aufgrund der §§ 18, 19 des Arbeitsschutzgesetzes erlassen wurden. Mit diesen Vorgaben ist es nicht vereinbar, dass ein Beschäftigter einen Teil der erforderlichen Aufwendungen für die spezielle Sehhilfe bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten selber tragen muss7.

Die komplette Kostentragung gilt auch bei Beamten, die gem. § 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG den Regelungen der ArbMedVV unterliegen. Die nach § 20 Abs. 1 ArbSchG erforderliche rechtliche Grundlage hierfür für die Länderbeamten ist in allen Bundesländern vorhanden. Im Ergebnis dürfen für Beamte beihilferechtliche Grundsätze (z. B. nur 50 % Erstattung) bei der Bildschirmarbeitsbrille nicht herangezogen werden8.

Die Verpflichtung zur Kostentragung besteht allerdings nur in dem Umfang, in dem dies auch erforderlich ist, umfasst aber dann auch Brille und Gestell. Ein Anspruch auf eine bestimmte modische Fassung ergibt sich hieraus nicht.

Erforderlicher Umfang

Welche Bildschirmbrille genau erforderlich ist, legt der Arzt in seiner „Verordnung“ fest, wobei sich der Anspruch nach Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV danach richtet, was tatsächlich erforderlich ist und nicht etwa, was lediglich nützlich ist. So ist oft auch eine Gleitsichtbrille nicht erforderlich. Eine Gleitsichtbrille kaschiert im Wesentlichen die Übergänge zwischen den verschiedenen Brennweiten in der Brille. Dies wird aber für die Arbeit am Bildschirm nicht als erforderlich erachtet9 (wenngleich es ohne Zweifel nützlich ist). Gleiches gilt (sofern nicht besondere Umstände vorliegen) in der Regel auch für Kunststoffgläser und eine besondere Hartschicht für Kunststoffgläser.

In der Regel „erforderlich“ sind die Kosten für die Gläser, die Entspiegelung und ein einfaches Brillengestell.

Pauschal kann somit auch nicht einfach auf die Festbeträge nach § 36 Abs. 2 SGB V verwiesen werden10. Entscheidend ist, ob für den Preis tatsächlich auch eine Bildschirmarbeitsbrille im erforderlichen Umfange erworben werden kann.

Lesebrille

Der Anspruch auf eine spezielle Sehhilfe besteht nach Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV nur dann, wenn „normale Sehhilfen nicht geeignet sind“. Reicht folglich z. B. eine Lesebrille zur Korrektur der Fehlsichtigkeit aus, so fällt dies nicht mehr in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Dies gilt auch für den Umstand, dass sich mit zunehmendem Alter in der Regel die Akkommodationsfähigkeit verringert. Ein Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsbrille besteht auch hier nur dann, wenn die „Altersnahbrille“ für die Bildschirmarbeit nicht mehr ausreicht.

In vielen Fällen wird daher kein gegen den Arbeitgeber gerichteten Anspruch auf eine Bildschirmarbeitsbrille im Sinne von Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV bestehen.

Verschaffung der Bildschirmbrille in der Freizeit

Bei der Bildschirmarbeitsbrille handelt es sich um eine Sachausstattung, die der Arbeitgeber zu beschaffen hat. Im Ergebnis handelt es sich um ein Arbeitsmittel. Die Beschaffung der Bildschirmarbeitsbrille ist somit den dienstlichen Tätigkeiten zuzuordnen. Bei einer reinen „Bildschirmbrille“ (also keiner Brille, die z. B. nur um einen speziellen Sehbereich für die Bildschirmarbeit ergänzt wird) ist ein Beschäftigter grundsätzlich nicht verpflichtet, sich die Brille in seiner Freizeit zu verschaffen11.

Beschäftigter hat schon eine private Bildschirmbrille

Bei der Bildschirmarbeitsbrille handelt es sich, wie bereits dargestellt, um einen Anspruch auf Sachausstattung, diese spezielle Sehhilfe muss folglich durch den Arbeitgeber gegenständlich dem Beschäftigten für die Bildschirmarbeit überlassen werden. Es handelt sich um ein Arbeitsmittel, das (wie z. B. auch der Computer mit Monitor) am Arbeitsplatz des Beschäftigten bereitzustellen ist. Insofern ist es rechtlich auch unerheblich, ob der Beschäftigte bereits über eine private Bildschirmbrille verfügt12, wenngleich es natürlich unschädlich ist, wenn der Beschäftigte auf seine Ansprüche verzichtet und am Arbeitsplatz seine private Bildschirmbrille benutzt.

Bei der Bildschirmbrille handelt es sich (sofern die rechtlichen Anspruchsgrundlagen hierfür vorliegen) um einen integralen Bestandteil der Angebotsvorsorge, auf die der Beschäftigte auch gänzlich verzichten kann. Es steht ihm (ohne dass er arbeitsrechtliche Nachteile befürchten muss) zu, das Angebot seines Arbeitgeber auf eine Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmtätigkeiten abzulehnen, wobei der Arbeitgeber auch in diesen Fällen verpflichtet bleibt, die Angebotsvorsorge weiterhin regelmäßig anzubieten (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbMedVV).

Kostenbeteiligung des Beschäftigten

Da es sich bei der Bildschirmarbeitsbrille um eine Sachausstattung handelt, auf die der Beschäftigte unter den in Teil 4 Abs. 2 Nr. 1 Anhang ArbMedVV Voraussetzungen einen öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch hat, verbietet es sich grundsätzlich, ihn an den erforderlichen Kosten zu beteiligen. Älterer obergerichtlicher Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass in bestimmten Fällen eine Kostenbeteiligung des Beschäftigten erfolgen kann. Dies sei dann der Fall, wenn dem Beschäftigten auch private Gebrauchsvorteile entstehen13 (z.B. die private Nutzung der Bildschirmarbeitsbrille).

Vor dem Hintergrund der europarechtlichen Vorgaben (Art. 6 Abs. 5 RL 89/391/EWG, Art. 9 Abs. 5 RL 90/270/EWG) ist diese ältere Rechtsprechung allerdings nur eingeschränkt anwendbar. Eine angemessene Kostenbeteiligung kommt insofern nur dann in Frage, wenn der Beschäftigte den privaten Gebrauch auch ausdrücklich will. Die private Nutzung kann nicht aufgezwungen werden. Es muss ihm immer die Möglichkeit verbleiben, z. B. auf das Eigentum an der Brille zu verzichten und diese am Arbeitsplatz belassen zu können.

Weiterhin ist eine Kostenbeteiligung des Beschäftigten dann möglich, wenn der Beschäftigte von sich aus Ergänzungen wünscht, die an sich nicht erforderlich sind (z. B. besonders modische Fassung, Gleitsichtbrille ohne medizinische Notwendigkeit etc.).

Der Arbeitgeber bietet keine Vorsorge nach der ArbMedVV an

Verweigert der Arbeitgeber zu Unrecht die Angebotsvorsorge anlässlich von Bildschirmtätigkeiten bzw. bietet er diese schlicht und ergreifend gar nicht an, so führt dies nicht zu einem Verlust des Anspruchs auf eine Bildschirmarbeitsbrille.

In diesen Fällen reicht dann auch ein bloßes augenärztliches Attest aus. In diesen Fällen kann der Beschäftigte den Ersatz der entstandenen Aufwendungen verlangen (§ 670 BGB).

Fußnoten

1 EuGH v. 06.07.2000 – C-11/99

2 Aligbe, ArbR 2012, 396–398

3 Siehe auch AMR 2.1 („Fristen für die Veranlassung/das Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorge“)

4 ArbG Neumünster v. 20.01.2000 – 3 Ca 1034 b/99

5 VG Düsseldorf v. 13.08.2015 – 13 K 8738/14

6 VG Düsseldorf v. 13.08.2015 – 13 K 8738/14

7 BVerwG v. 27.02.2003 – 2 C 2/02

8 VG Münster v. 25.11.2003 – 4 K 1391/00

9 Vgl. AG Kaiserslautern v. 12.06.2001 – 5 Ca 316/01

10 VG Münster v. 25.11.2003 – 4 K 1391/00

11 Vgl. OVG Lüneburg v. 25.02.2014 – 3 LD 1/13

    Weitere Infos

    Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge

    www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/

    Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten

    https://www.gesetze-im-internet.de/bildscharbv/

    Richtlinie 90/270/EWG über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten

    www.gaa.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16050/2_1_05.pdf

    Autor

    Patrick Aligbe

    Aligbe Sicherheitsrecht

    Sauerbruchstraße 10

    81377 München

    arbeitsschutz@sicherheitsrecht-bayern.de

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